Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

132 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
geschickt hatte. Ich führte ihn zum Wagen und fuhr mit ihm in die Bot- 
schaft. Dort war alles in vollem Lichtglanz und Blumenschmuck. Der 
König war sehr erstaunt über die Pracht der ihm eingeräumten Gemächer. 
Er soupierte dann allein, ich mit Holnstein und dem Generaldirektor 
Schomberger. Heute früh hat er sich ein Bad bestellt und als besonderen 
Spaß das Frühstück in dem kleinen türkischen Kabinett neben dem Bad. 
Heute Mittag Empfang der Herren der Botschaft. Der Empfang fand in 
der Weise statt, daß sämtliche Herren im Frack und weißer Krawatte sich in 
dem großen Salon versammelten und daß ich einen nach dem andern zum 
König hineinführte. Nachher fuhr der König allein mit Holnstein nach 
Versailles. Mit Lindau hat der König gestern sehr lange gesprochen. Unter 
anderm sagte er, daß er mit dem Kaiser und mit Bismarck auf dem besten 
Fuße stehe. Weniger gut sprach er von dem Kronprinzen, von dem er 
sagte, er werde eine andre Politik einschlagen und den einzelnen Staaten 
ihre Selbständigkeit zu nehmen trachten. Ich fragte Holnstein, worin 
eigentlich diese Abneigung gegen den Kronprinzen ihren Grund haben 
möge. Er sagte, der Prinz Karl von Bayern habe dem Könige erzählt, 
der Kronprinz habe in Augsburg Offizieren gegenüber die Aeußerung 
getan, in zehn Jahren werde alles ganz anders sein, was er natürlich 
auf die Haltung der Truppen bezog, was aber die, welche es dem Prinzen 
Karl erzählten, so darstellten, als habe der Kronprinz damit gemeint, daß 
in politischer Beziehung alles ganz anders aussehen werde. Das ist in 
dem König haften geblieben und mag einer der Gründe seiner Abneigung sein. 
Paris, 24. August 1874. 
Gestern, Sonntag, sollte um 11 Uhr in die Messe gegangen werden. 
Da jedoch der König mit Ankleiden und Frühstück erst um ½1 Uhr fertig 
wurde, mußte auf den Kirchgang verzichtet werden. Um 2 Uhr wurde 
endlich aufgebrochen. Wir fuhren nach der Conciergerie, der Sorbonne, 
dem Panthéon, der Sainte Chapelle und nach verschiedenen andern Merk- 
würdigkeiten, auch nach der Großen Oper. Es war unterdessen ½6 Uhr 
geworden. Als wir an den Invalidendom kamen, wollten wir eben aus- 
steigen, als der König erfuhr, daß der Kommandant, nicht der Gouverneur 
ihn erwarte. Da er nun gegen solche Empfangsfeierlichkeiten einen ganz 
besonderen Abscheu hat, so ließ er umkehren und fuhr in scharfem Trabe 
nach Hause. Er aß dann allein in seinem Zimmer, ging mit Holnstein 
und mir in das Theatre francais, wo er bis zum Ende blieb. Es wurden 
Molieres „Avare“ und ein modernes Lustspiel „Le gendre de M. Poirier“ 
gegeben, was den König sehr zu interessieren schien. Montag fuhr der 
König mit Holnstein nach Versailles. Unterwegs schlug ihm dieser vor, 
am andern Tage ein Diner in der Botschaft zu gestatten, bei welchem
	        
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