Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 133
die Mitglieder der Botschaft zugezogen werden sollten. Der König ging
aber darauf nicht ein, sondern erklärte, dann wolle er lieber ganz in Ver-
sailles bleiben und gar nicht nach Paris zurückkehren, worauf Holnstein
den Gegenstand nicht weiter berührte.
Dienstag den 25. fuhr ich Morgens nach Trianon, um Decazes zu
sagen, daß der König ihn um 2 Uhr empfangen würde. Der König war unter-
dessen im Park von Versailles, wo die Wasser sprangen. Er hatte sie um
11 Uhr bestellt. Das Publikum war anständig, nur einige Versailler
Jungen wurden arretiert, die sich damit unterhielten, hinter dem König
dessen Gang nachzumachen. Ich fuhr Nachmittags wieder zurück. Abends
kam der König in das Théatre du Gymnase, wo „Der Vater der
Debutantin“ gegeben wurde. Abends Brouille mit Holnstein.
Den 26. fuhr der König nach Fontainebleau mit Lindau, da Holn-
stein den ganzen Tag im Bette blieb. Abends ging der König in das
Théatre frangais.
Berlin, 31. August 1874.
Gestern wurde ich telegraphisch zum Kaiser nach Babelsberg beschieden.
Ich fuhr mit dem Zuge um 12 Uhr. Der Kaiser empfing mich in seinem
Schreibzimmer, einem schönen großen Zimmer, das aber, wie dies in
gotischen Gebäuden immer ist, durch allerlei unbeqgueme Treppen und
Eckchen höchst unbehaglich wird. Wir sprachen von Paris, vom König
von Bayern und von der Anerkennung Serranos. 1) Der Kaiser schien
sich noch nicht darüber zu beruhigen, daß ihn Bismarck dazu gezwungen
hat. Er beklagte sich, daß Bismarck ihm gleich mit Rücktritt drohe, um
seinen Willen durchzusetzen, daß das nicht so fortgehen könne. Bismarck
sei in großer Aufregung, und man wisse gar nicht, wohin er ihn, den
Kaiser, noch führen werde. Man müsse jetzt konservativ werden, Bismarck
sehe dies selbst ein, aber wie sei dies möglich zu machen, nachdem man
schon so weit gegangen sei! Der Kaiser, der glaubte, ich ginge nach
Varzin, bat mich, ihm dann Bericht zu erstatten, wie ich Bismarck ge-
funden hätte. Ich sagte, ich hätte nicht die Absicht, ohne Aufforderung
von Bismarck nach Varzin zu gehen, was der Kaiser auch billigte. Ich
frühstückte dann mit dem Kaiser und der Kaiserin, nachdem ich letztere
allein gesprochen hatte. Die Kaiserin äußerte sich sehr ungehalten über
das Zeitungsgerücht, daß der Kaiser nach Italien gehen solle. Es sei
ganz dummes Zeug, der Kaiser könne nicht alles im Stich lassen. Ich
dachte mir dabei das Meinige und wie es dem alten Herrn wohl zu
1) Serrano hatte im Januar durch einen Staatsstreich die Regierung ergriffen.
Ende Juli knünpfte die deutsche Regierung Unterhandlungen mit den Mächten über
seine Anerkennung an, um ihm gegen die Karlisten eine moralische Unterstützung
zu gewähren.