134 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
gönnen wäre, wenn er einen Winter in einem milden Klima zubrächte.
Allein ich hätte durch Widerspruch nur geschadet und nichts bewirkt.
Dann fuhr ich ins Neue Palais, wo ich aber die kronprinzlichen
Herrschaften nicht fand.
Noch muß ich bemerken, daß mir der Kaiser sagte: „Man kann einem
so hohen Herrn keine Schmeicheleien sagen, aber ich muß es Ihnen doch
sagen, daß ich sehr zufrieden mit Ihren Leistungen bin, und daß mir die
Art Ihrer Berichterstattung sehr gut gefällt. Ihre Berichte interessieren
mich sehr.“ Am Schlusse, als ich mich verabschiedete, sagte er noch: „Ich
sage Ihnen weiter nichts als: fahren Sie so fort!“
Varzin, 24. Oktober 1874.
Nachdem ich Thurnau und Kulmbach?)) abgemacht hatte, fuhr ich vor-
gestern nach Berlin, kam dort in der Nacht an und fuhr Morgens 830
vom Stettiner Bahnhofe ab. Ich fand Herrn von Winter, mit dem ich
mich bis Schlawe unterhielt. Das Wetter war trüb und stürmisch, zuletzt
goß es. Der erste Teil von Pommern ist häßlich. Von Köslin aus
kommen Wiesen, Buchenwälder und Hügel. Das bleibt bis Schlawe.
Hier fand ich den zweiten Sohn Bismarcks, der mit demselben Zuge ge—
kommen war, und fuhr mit ihm bei strömendem Regen nach Varzin,
1½ Stunden in einer Postkutsche. Wir kamen in der Dämmerung an,
doch konnte ich noch die schönen Bäume des Parks bewundern. Fürst
und Fürstin Bismarck empfingen mich sehr freundlich und führten mich gleich
ins Eßzimmer, wo das Diner schon begonnen hatte. Abends saß ich mit
Bismarck am Kamin, den er selbst, als körperliche Bewegung, heizte, indem
er von Zeit zu Zeit Kiefernfrüchte auf eine Schaufel lud und hineinwarf.
Da diese Dinge sehr schnell verbrennen, so hatte er Bewegung genug.
Dabei rauchte er aus seiner großen Pfeife. Er ist augenscheinlich sehr
wohl und keineswegs aufgeregt, sondern sehr milde und wohlwollend ge-
sinnt. Wir gingen dann zum Tee. Die Zeitungen wurden gelesen und
die von mir mitgebrachten „Wespen“ fanden viel Anklang.
Heute Morgen heller Sonnenschein. Ich sehe von meinem Fenster
aus die prachtvollen Buchen des Parks. Ich finde Gegend und Umgebung
reizend. Das Haus ist wohnlich, aber alt. Um 9 Uhr meldete mir der
Diener, daß die Fürstin beim Frühstück sei. Ich ging hinunter. Der
Fürst kam später und proponierte mir, mit ihm einen Gang durch den
Park zu machen. Unser politisches Gespräch wurde immer unterbrochen
durch Bemerkungen über Bäume und Anlagen oder über die gekauften
Wälder und Wiesen. Dieser Park von Varzin ist wirklich etwas ganz
1) Wo der Fürst am 22. Oktober zu seinen Wählern gesprochen hatte.