Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 135
Apartes, und ich begreife, daß Bismarck sich schwer von hier trennt.
Heute Mittag machen wir einen Ritt durch die weitere Umgebung. Die
Arnimsche Sache bespricht Bismarck sehr ruhig. Arnim war hier in
Pommern bei einer Wahl unterlegen, und war sehr erstaunt, daß er so
wenig bekannt war. Nun wollte er von sich reden machen und fing den
Skandal über die Papiere an. Die Verhaftung ist lediglich Sache des
Gerichts. Morgen fahre ich wieder nach Berlin.
Varzin, 24. Oktober 1874.
Bei meiner gestrigen Unterredung mit Fürst Bismarck berührte ich
meine Unterhaltung mit dem Kaiser in Babelsberg. Der Reichskanzler
bemerkte, er begreife die Mißstimmung des Kaisers. Die Sache war so.
Als ich die Anerkennungsfrage nach der Erschießung des Hauptmanns
Schmidti) in Anregung brachte, beauftragte Bismarck Herrn von Bülow,
bei den Mächten anzufragen, d. h. zu sondieren, wie sie über die An-
erkennung der spanischen Regierung dächten. Bülow, statt sich an diese
Instruktion zu halten, legte dem Kaiser gleich eine Zirkulardepesche mit
dem Vorschlag auf Anerkennung vor. Diese wurde nicht akzeptiert und
darauf wurde dann eine zweite vorgelegt und genehmigt. Bismarck erfuhr
davon nichts und war sehr erstaunt, als plötzlich die Anerkennung akzeptiert
wurde, „wie Pflaumen, die vom Baume geschüttelt werden“. In der
Zwischenzeit war Schweinitz beim Kaiser gewesen und hatte diesen wieder
irre gemacht. Andre Einflüsse machten sich geltend, und als der Kaiser
nach Berlin kam, wollte er nicht mehr. Da wurde Bismarck dringend,
ohne jedoch Bülow bloßzustellen, und bestimmte dann den Kaiser zur Zu-
stimmung, indem er sagte, nachdem man so weit gegangen sei, könne man
nicht stehen bleiben. Das war es, worauf der Kaiser anspielte.
Er erzählte mir noch vieles über die Kaiserin. Zum Beispiel im
April 1848 kam G. Vincke zu Bismarck3) und sagte ihm, der vereinigte
Landtag wolle und müsse darauf antragen, daß der König abdanke, der
Prinz von Preußen auch und daß die Prinzessin von Preußen Regentin
an Stelle ihres Sohnes werde. Bismarck widersprach und sagte, daß
das Volk diese Manipulation nicht verstehen würde. Als Vincke insistierte,
1) Der preußische Hauptmann a. D. Schmidt, der sich als Kriegskorrespondent
verschiedener Blätter bei den Regierungstruppen aufgehalten hatte, war in die
Hände der Karlisten gefallen, vor ein Kriegsgericht gestellt, verurteilt und er-
schossen worden.
2) Den Staatssekretär.
3) Siehe die Biographie der Kaiserin Augusta von Petersdorff in der A. d. B.
Bd. 46 S. 105 u. 106.