Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 143 
gehe alles sehr gut. Ich sprach ihr meine Befriedigung darüber aus und 
versicherte sie des Interesses, das wir an dem Gelingen der Aufgabe ihres 
Sohnes hätten. 
Paris, 14. Januar 1875. 
Graf Apponyi glaubt durchaus nicht an die Möglichkeit einer orleani- 
stischen Monarchie. Abgesehen davon, daß formell der Graf von Paris 
von den Entschließungen des Grafen von Chambord abhängig sei und 
deshalb, ohne unehrlich zu handeln, bei Lebzeiten des letzteren gar nicht 
auf den französischen Thron reflektieren dürfe, stehe ihm entgegen, daß 
seine Partei nur ein Generalstab ohne Armee sei. Das Volk sei entweder 
demokratisch-republikanisch oder imperialistisch. Das Kaisertum werde die 
Lösung der gegenwärtigen Wirren sein. 
Paris, 23. Januar 1875. 
Um den in dem Telegramm von Berlin erhaltenen Auftrag auszu- 
führen, fuhr ich ins Elysée. Ich überlegte mir, daß es schwer sein würde, 
den Besuch in unauffälliger Weise zu wiederholen, wenn ich mich melden 
ließe und durch einen Zufall abgewiesen würde. Ich benutzte also eine Ein- 
ladungsangelegenheit und besuchte zunächst den Vicomte d'Harcourt.1) Wir 
kamen sofort auf ein politisches Gespräch. D'Harcourt schien es daran 
gelegen zu sein, mir seine Ansicht auszusprechen. Er schien niedergeschlagen 
über die gestrige Sitzung.:) Die vollständige Unfähigkeit der Versamm- 
lung, etwas zustande zu bringen, die Unmöglichkeit, die alte Majorität 
wiederherzustellen, und ohne Zweifel auch die Zerstörung der orleanistischen 
Hoffnungen mag ihn trübe stimmen. Er tröstete sich zwar mit der Be- 
hauptung, die Rede Jules Favres hätte viele Mitglieder der gemäßigten 
Rechten und des rechten Zentrums, die bisher zur Verständigung mit dem 
linken Zentrum bereit gewesen wären, degoutiert und die Proklamierung 
der Republik dadurch unmöglich gemacht. Er gab aber gleichzeitig zu, 
daß es mit der Proklamierung der Monarchie noch schlimmer aussehe. 
Die äußerste Rechte wolle nur alles verhindern, indem sie unerfüllbaren 
Hoffnungen nachgehe. Von den Orleanisten sprach er nicht, allein indem 
er sagte: „II ny a due les Bonapartistes qui ont le pays pour eux“, 
schien er auch in bezug auf die Orleans die Hoffnung aufzugeben. Als 
  
1) Vicomte d'Harcourt, der Sekretär des Präsidenten. 
2) Vom 21. bis 24. Januar fand die erste Beratung des von der Kommission 
der Nationalversammlung ausgearbeiteten Entwurfs eines Gesetzes betreffend „den 
Uebergang der Gewalten" statt (Einsetzung einer zweiten Kammer und Vereini- 
gung beider Kammern zum Kongresse im Falle der Erledigung der Gewalt des 
Präsidenten). Es wurde beschlossen, in die Spezialdebatte einzutreten, vor dieser 
aber die erste Lesung des Senatsgesetzes vorzunehmen.
	        
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