148 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
der Hand haben. Wäre dann die Episode abgeschlossen, sobald die letzten
verfassungsmäßigen Konsequenzen angekündigt werden? Oder würde das
königliche Selbstgefühl sich verpflichtet halten, sie wirklich eintreten zu lassen
und sich dagegen mit allen Machtmitteln zu wehren? Die letztere Alter-
native ist so verhängnisvoll und würde so dauernde Nachwirkungen haben,
daß ich nicht wage, sie freiwillig zu fördern, so unverzagt ich ihr auch
entgegentreten würde, wenn sie sich uns aufdrängte. Der Herr in Frage
ist mir immer gnädig gewesen, und ich möchte gegen ihn persönlich zu
nichts die Hand bieten, was ich ihm nicht vorher sagen und was ich nicht
auch für seines Dienstes halten könnte. Es kommt mir daher alles
darauf an, ob er das Unternehmen wenigstens innerlich billigt und sich
das Ziel vergegenwärtigt. Tut er das, so ist es vergleichsweise gefahrlos,
jedenfalls ratsam, tut er es nicht, so ist das Spiel höher, als wir frei-
willig verantworten können. Da Sie ihm persönlich ergeben sind, so
nehme ich an, daß unfre Ansichten identisch sind. In dem Falle würde
ich sehr dankbar sein, wenn wir die Frage mündlich besprechen könnten,
wozu ein Anlaß leicht herbeizuführen.
Verzeihen Sie die Hast dieser Zeilen. In freundschaftlicher Ergeben-
heit der Ihrige
von Bismarck.
An den Reichskanzler.t)
Eurer Durchlaucht erlaube ich mir meinen ganz gehorsamsten und auf-
richtigsten Dank für die wohlwollende Aufnahme auszusprechen, welche
mein Brief gefunden hat, sowie für dessen eingehende Beantwortung.
Ich bin bei meiner Aeußerung von der Voraussetzung ausgegangen,
daß ein Ministerwechsel in Bayern noch vor den Wahlen bevorstehe und
glaubte, daß es ratsam sein dürfte, demselben nicht hindernd in den Weg
zu treten. Seitdem höre ich wieder durch Minister Fäustle, daß die ultra-
montane Partei davon absehen will, den König jetzt durch Angriffe zu
irritieren, um nicht den Allerhöchsten Widerwillen gegen ein „katholisches
Ministerium“ zu verstärken, und daß sie ihre Kraft auf die Wahlen auf-
spart. Unter solchen Umständen tritt die Frage nach der Stellung der
Reichsregierung gegenüber den bayrischen Zuständen mehr in den Hinter-
grund, und ich darf hoffen, noch Gelegenheit zu haben, vor den bayrischen
Wahlen mündlich mit Eurer Durchlaucht zu sprechen. Der unauffällige
Anlaß dazu würde sich vielleicht ergeben, wenn ich meinen Sohn, für den
ich Seine Majestät um Aufnahme in die Garde bitten will, nach Berlin
begleiten werde.
1) Das Konzept trägt kein Datum.