Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

8 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
Klima u. s. w. Heute die letzte wichtige Sitzung. Der Antrag Patows,!) 
den ich mit unterschrieben hatte, wurde mit großer Majorität angenommen. 
Völk sprach für den Antrag und zitierte zweimal meine Worte über den 
„Anker der nationalen Hoffnungen“. 
Mittags Diner bei Eulenburg, Abends Soiree bei Schleinitz. Frau 
von Schleinitz sprach viel von Wagner und bat mich, ihr Nachricht zu 
geben, bis wann die „Walküre“ gegeben werde. Die Königin war wie 
immer ganz besonders freundlich für mich. Der König sagte Viktor, daß 
er mir das Großkreuz des Roten Adlerordens verleihen werde. 
7. Mai. 
Heute Morgen 8 Uhr sah ich mir mit Viktor, Hugo, Frankenberg u. a. 
die neuen Schlachthäuser Strousbergs an. Ein großartiges Etablissement 
mit Ställen, Markthallen, Fettsiedereien. 
Heute Mittag ist die letzte Sitzung und um 3 Uhr feierlicher Schluß 
im Weißen Saal des Schlosses. 
Aus einem Briefe des Kardinals. 
Rom, 7. Mai 1870 
Auf zwei liebe Briefe habe ich Dir zu antworten. Ich danke Dir 
innigst dafür. Eigentlich hoffte ich dies persönlich tun zu können, aber 
auch diesmal erhielt ich keine Erlaubnis. Da die frommen Väter an 
hoher Stelle regieren und, wie mir scheint, das Projekt dieser Patres 
dahin geht, zwischen uns Geschwister Uneinigkeit zu bringen oder wenigstens 
uns stets so viel als möglich voneinander fernzuhalten, so ist es ganz 
natürlich, daß ich keine Erlaubnis bekam ... Von unsern Zuständen hier 
wüßte ich nichts Besonderes zu berichten. Ich gehe so wenig als möglich 
in die Konzilkongregationen. Professor Friedrich, der unter den gegebenen 
oder vielmehr gewordenen Verhältnissen wenig hier zu tun hat, bat mich, 
nach München abreisen zu können. Ich habe ihm keine Schwierigkeiten 
gemacht, wiewohl es für ihn ein großer Verlust ist. Ketteler verfolgt ihn 
unterderhand auf eine niederträchtige Weise, wie aus dem letzten Schriftchen 
hervorgeht, wo er ihn offenbar verleumdet. Aber dieser Kirchenfürst ist 
durch seine Manöver bei den guten deutschen Bischöfen wieder oben auf, 
der „edle Ketteler“ heißt es u. s. w. Es kommt alles auf das hinaus, 
was ich dir vor nun bald einem Jahre schrieb. Und was ich von Dupan- 
loup sagte, kann man auch von Ketteler sagen. Aber es ist unendlich 
schwer, klarzusehen und seine Ruhe zu behalten, deshalb können noch 
  
1) Der Antrag Patow — Annahme der von der Regierung verlangten Erhöhung 
des Kaffeezolls gegen verschiedene andre Zollerleichterungen — wurde mit 186 gegen 
84 Stimmen (Fortschrittspartei und süddeutsche Fraktion) angenommen.
	        
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