156 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
solche in Paris zwischen dem Duc Decazes und dem Fürsten Hohenlohe
bestehen sehen, so lange ein legitimistischer ultramontaner Botschafter die
Stelle einnimmt, mit dem Fürst Bismarck nicht frei und offen reden kann
und der auch nicht die nötige Geschäftskenntnis besitzt. Dazu kommt, daß
seine Töchter die inneren Zustände des Landes in einer Weise besprechen,
die nicht der Rolle von Mitgliedern einer botschaftlichen Familie entspricht.
In gleicher Weise sei der Militärattache Prince Polignac nicht an seinem
Platze. Die Art, wie er sich über aggressive Tendenzen der preußischen
Generale geäußert hat, hat Anstoß erregt.“ Ich soll dann an Bülow
schreiben, ohne die Sache zu nennen, daß ich „die fragliche Unterredung mit
Decazes gehabt habe und welchen Eindruck meine Mitteilung gemacht hat.
Wenn es möglich ist, möge ich dahin trachten, daß Polignac zuerst wegkomme".
Mit Radowitz sprach ich dann über den eventuellen Nachfolger, und
wir fanden als den besten St. Vallier.
Der Kaiser sprach längere Zeit über die nachteiligen Folgen der
Zeitungsartikel, erzählte dann von Verstimmungen zwischen ihm und dem
Fürsten Bismarck, dann von der Anwesenheit des Kaisers von Rußland!#)
und wie sich dieser von der Unwahrheit der Gerüchte ) überzeugt habe.
Bei dem Schluß der Unterredung sagte er: „Grüßen Sie den Marschall
Mac Mahon und sagen Sie ihm, daß Sie nicht allein der Friedensbote
sind, sondern daß der wahre Friedensbote hier steht.“
Auszug aus mitgeteilten Aktenstücken.
Telegramm vom 9. Mai, in welchem Münster mitgeteilt wird, daß der eng-
lische Botschafter im Auftrage seiner Regierung sagt, die englische Regierung
bemerke mit Bedauern, daß Europa in Unruhe sei wegen französischer
Maßregeln, in denen Deutschland Kriegsgefahr erblicke. 3) England teile
diese Befürchtungen nicht, wünsche zur Beschwichtigung beitragen zu können
und stelle sich der hiesigen Regierung zur Disposition. Münster solle danken
und sagen, daß die Beunruhigungen von der Presse veranlaßt seien, be-
sonders von der „Times“.
Im gleichen Sinne ein längerer Erlaß, darin besonders: „England
möge Frankreich zu beruhigen suchen."“
In einem Privatbriefe wird die Lächerlichkeit der englischen Friedens-
bemühungen gegeißelt. England hätte dies 1870 tun sollen. Die englische
1) Vom 10. bis 13. Mai.
2) Kriegerischer Absichten Deutschlands.
3) Das französische Cadresgesetz vom 12. März, durch welches die Regimenter
von drei auf vier Bataillone gebracht wurden und eine Erhöhung der Kriegsstärke
der Armee um 144000 Mann herbeigeführt wurde. Die Annahme durch die National-
versammlung erfolgte fast einstimmig.