158 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
der bekannte Korrespondent der „Times“ in Paris, Herr von Blowitz.
Schon am 2. Mai, als ich ihn in der Soiree bei dem Duc Decazes traf,
teilte mir Blowitz seine Absicht mit, über die bestehende Beunruhigung
einen Artikel zu schreiben, von dem er sich einen günstigen Erfolg ver-
sprach. Blowitz erörterte mit mir die in seinem Korrespondenzartikel ent-
haltenen Punkte. Meine Einwürfe hat er unberücksichtigt gelassen, weil
er, wie ich seitdem erfahren habe, der Ueberzeugung war, durch die offene
Darlegung der bestehenden Beunruhigungen Gegenerklärungen zu provo-
zieren, die zur Befestigung des Friedens beitragen würden. Außerdem ist
er weiter gegangen, als er mir gegenüber zugegeben hatte. Sein Räsonne-
ment, das in der mündlichen Unterredung einen unpartetischen Charakter
hatte, ist das geworden, was ich ihm schon mündlich warnend entgegen-
gehalten hatte, ein Angriff gegen Deutschland. Die Redaktion der „Times“
hat seinen Artikel am Mittwoch dem 5. Mai erhalten und dann von ver-
schiedenen Korrespondenten auf dem Kontinent telegraphisch Auskunft über
die in dem Blowitzschen Artikel enthaltenen Punkte verlangt, vielleicht auch
mit Londoner Politikern Rücksprache genommen. Erst als sie sich, wie
sie glaubte, von der Richtigkeit der Blowitzschen Angaben überzeugt hatte,
ließ sie den Artikel drucken. Die Vermutung, daß der Artikel durch
Börsenspekulanten eingegeben sei, scheint der Begründung zu entbehren.
Es war eine im französischen Interesse von Blowitz erfundene Taktlosig-
keit, mit der dieser Gutes zu stiften und für den europäischen Frieden zu
arbeiten glaubte.
Paris, 21. Mai 1875.
Bei meinem heutigen Besuche bei Decazes brachte ich die Gontautsche
Frage in Anregung. Ich bezog mich auf die bereits gestern andeutungs-
weise gegebene Notiz und bat Decazes, deshalb nichts an Gontaut zu
schreiben, da dies doch nichts nützen werde. Durch das Benehmen Gon-
tauts könne die Tatsache nicht geändert werden, daß er legitimistisch-
ultramontan gesinnt sei und zu den Gegnern der deutschen Regierung in
freundlichem Verhältnisse stehe. Wenn Decazes Wert darauf lege, daß die
Beziehungen zwischen dem französischen Botschafter und dem Reichskanzler
befriedigende würden, und wenn er das Vertrauen erhalten wolle, das
der Fürst Bismarck in ihn, Decazes, setze, so müsse er eine Aenderung
eintreten lassen. Decazes hörte mich mit großer Aufmerksamkeit an und
erklärte, er sei in Verlegenheit, weil er gerade die beste Gelegenheit habe
vorübergehen lassen. Gontaut habe gewünscht, nach London zu kommen.
Decazes habe ihn im Interesse der bestehenden guten Beziehungen mit
Berlin gebeten, dort zu bleiben. Jetzt sei es schwer. Indessen fügte er
bei: „II est évident, qu'il ne peut étre question de faire des affaires entre
deux hommes qui se regardent comme des chiens de fayence.“ Der