Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

160 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
nicht, und es wäre umsonst gewesen, den Versuch zu wagen. Die Kaiserin 
beging den Fehler, den Grafen Palikao zu berufen, der mit Buffet die 
Regierung leiten sollte. Wir Mitglieder des Corps législatif waren der 
Meinung, daß diesem die Gewalt zu übertragen sei. Dieser Körperschaft 
mußte die Aufgabe zufallen, den Frieden zu schließen. Damals hätte man 
noch bessere Bedingungen bekommen. Der Kaiser selbst hatte eigentlich 
schon aufgehört zu regieren. In der Versammlung durfte man ihn schon 
seit vierzehn Tagen nicht mehr nennen, ohne den Ruf zu provozieren: 
„Ne parlez pas de cet homme!“ Nun kam man zu mir, ich sollte einen 
Beschluß formulieren, der die Regierung in die Hände des Corps législatif 
lege. Ich tat es. Während wir aber damit beschäftigt waren, wurden 
Trochu und Buffet interpelliert, was die Truppen bedeuteten, die um das 
Corps législatif herumständen. Trochu und Brffet ließen sich dadurch 
einschüchtern und schickten die Truppen weg. Da sagte ich: „Eh bien. 
nous aurons notre affaire. Bientöt la salle sera envahie.“ So geschah 
es. Während wir mit dem fraglichen Antrag beschäftigt waren, drängte 
sich eine große Menge Leute herein. Lauter anständig gekleidete Männer. 
Auch Decazes war darunter. Einer von ihnen schrie: „Sauvez-nous, 
monsieur Thiers!“ Sie hatten alle den Kopf verloren. Ich erwiderte: 
„Si je dois vous sauver, allez-vous en."“ Darauf gingen sie ruhig weg. 
Unterdessen rannte aber das Volk in das Hotel de Ville. Das hörte man 
im Corps läégislatif, und nun eilten verschiedene Abgeordnete dorthin, um 
zu verhindern, daß sich die Kanaille der Regierung bemächtige. Auch 
Jules Favre und Simon waren dabei. So kamen diese dazu, die Regierung 
zu übernehmen. Sie erschienen denn auch alsbald wieder in dem Corps 
legislatif, berichteten, was sie getan hätten, und zankten sich mit Buffet, 
worauf ich dann erklärte, es könne zu nichts führen, sich zu zanken. Die 
Regierung sei konstituiert, man müsse sich ihr unterwerfen. Ich hob die 
Versammlung auf, und wir gingen alle nach Hause.“ 
Thiers erzählte dann von der Kommune, von den Unruhen in Lyon 
und Paris unter Louis Philipp, von der Rue Transnonain und so weiter. 
Zuletzt auf die gegenwärtige Krisis zurückkommend, sagte er: „Nous rou- 
lerons tout doucement vers la dissolution dans la petite voiture du 
25 février.“ 1) Die Lage kennzeichne sich dadurch, daß keine der sich be- 
kämpfenden Dynastien stark genug sei, um zur Regierung zu gelangen. 
Auch wenn der Graf von Chambord die weiße Fahne aufgegeben hätte, 
würde er nicht zur Regierung gekommen sein. Ebenso wenig seien die 
Orleans oder das Kaiserreich stark genug. Die Republik sei deshalb eine 
Notwendigkeit. Er habe das den Leuten von der Rechten schon vor dem 
1) Siehe Seite 150. 
 
	        
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