Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 161
24. Mai ) gesagt. Damals habe man ihn gebeten, „de dire seulement
duelques sbonnes paroles“. Er habe das zurückgewiesen. Er habe sie
nicht betrügen wollen. Ebensowenig habe er das Recht gehabt, die
Republik, die man ihm in Bordeaux anvertraut habe, in eine Monarchie
umzuwandeln und damit die Republikaner zu betrügen. Die Monarchisten
hätten ihm damals nicht geglaubt. Jetzt stehe die Wahrheit vor aller
Augen.
Paris, 2. Juni 1875.
Der Duc d'Audiffret-Pasquier bestreitet, daß die Franzosen sich mit
den Ultramontanen identifizieren, weil sie in ihnen Alliierte gegen uns
erblicken. Ich behauptete das ihm gegenüber, als er gestern bei mir war.
Er dagegen behauptet, der Gallikanismus sei noch sehr verbreitet. Wir
glauben alle nicht an die „Unfehlbarkeit des Papstes“, wir sind Gegner
der Jesuiten, die hier nicht die Majorität für sich haben u. s. w. Das
waren alles recht schöne Worte. Meine Ansicht ist aber doch richtig.
Auch Blowitz, den ich nachher sprach, ist meiner Ansicht und sagt, ich
hätte vollkommen recht, wenn ich behaupte, daß der Kampf zwischen
Liberalen und Klerikalen in Frankreich erst dann beginnen werde, wenn
in Deutschland der Friede zwischen Papst und Regierung hergestellt sei.
Audiffret-Pasquier sagt, die Zustände in Frankreich seien deshalb so ernst,
weil die Konservativen durch eigne Schuld Boden verloren hätten und
weil die Gefahr bestehe, daß die höheren Stände, die Aristokratie des
Geldes und der Familie, die Leitung der Politik verlören. Ob Scrutin
de liste oder d’arrondissement sei gleichgültig. Es sei zu fürchten, daß
allerlei Mittelmäßigkeiten, Advokaten und Streber in die Versammlung
gewählt werden würden. Blowitz meint, es werde ein Teil republikanisch,
ein Teil bonapartistisch sein und dazwischen eine „masse flottante, indécise“,
der die eigentliche Entscheidung zufallen werde. Damit würden die Zu-
stände und Intrigen, wie sie jetzt sind, dauernd. Man werde weder eine
ordentliche Republik noch eine ordentliche Monarchie haben.
Paris, 21. Juni 1875.
Mendes Leal, der portugiesische Gesandte, ist der größte Jesuitenriecher,
der mir vorgekommen ist. Er behauptet, die Internationale sei unter der
Leitung der Jesuiten, die Jesuiten wollten Don Carlos auf den französischen
Thron bringen, der ganze Modewarenhandel in Paris sei in ihren Händen,
auch der Guanohandel u. s. w. Wenn die Engländer erst einmal einsehen
würden, daß die Jesuiten ihrem Handel Konkurrenz machten, würden sie
schon gegen sie auftreten.
1) Am 24. Mai 1873 war Thiers durch die Rechte der Nationalversammlung
gestürzt und durch Mac Mahon ersetzt worden.
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 11