Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 169 
sagte ich ihr, das sei so sehr der Fall, daß ich sogar beim Beginn des 
ganzen Konflikts beteiligt gewesen sei. Ich hätte in Bayern von den 
Ultramontanen genug zu leiden gehabt, um ihnen feind zu sein. Ich 
wies dann auf das hin, was hier vorgeht, auf die Schwäche und Nachgiebig- 
keit der französischen Regierung gegenüber der ultramontanen Partei und 
wie diese Leute trotzdem immer mehr Konzessionen von der Regierung 
verlangten. Wir sprachen dann von der Kaiserin Augusta. Die Fürstin 
versicherte mir, die Kaiserin sei trotz meiner „méfaits“ noch sehr gut für 
mich gestimmt und wisse es mir zu großem Danke, daß ich die Be- 
ziehungen zu Frankreich auf gutem Fuße hergestellt habe. 
Mit Decazes sprach ich über Gontaut. Er erzählte, Gontaut beklage 
sich über Radowitz, der an allem schuld sei und seine Unterredungen mit 
ihm unrichtig berichtet habe. 
Paris, 5. August 1875. 
Bei meinem heutigen Besuche sprach der Duc Decazes von dem Ge- 
rüchte meiner Ernennung zum Reichsvizekanzler und meiner Ersetzung 
durch Radowitz. Der Herzog behauptet, es sei dies mit der Gontautschen 
Sache in Verbindung zu bringen, und es liege darin eine Art Drohung. 
Er gebrauchte nicht dieses Wort, sondern nannte es „avis“ oder „legon“. 
Ich bezweifelte das. Darauf erzählte er die ganze Gontaut-Radowitzsche 
Geschichte. Er erinnerte an unfre Unterredung vor meiner Abreise An- 
fang Mai. Damals hatte ich ihm gesagt, es scheine, daß Gontaut die 
Unterredung mit Bülow und Radowitz doch zu optimistisch aufgefaßt habe. 
Schon das habe ihn stutzig gemacht. Kaum sei ich weg gewesen, so sei 
ein Bericht von Gontaut gekommen, in welchem dieser erzählte, Radowitz 
habe nun in einem andern Sinne mit ihm gesprochen und dabei sich des 
Ausdrucks bedient, es sei politisch und christlich, den Krieg anzufangen, 
solange Frankreich nicht vollständig fertig sei. Dieses Gespräch sei die 
eigentliche Veranlassung, daß damals die große Beunruhigung entstanden 
sei. Er selbst gestehe, daß er ernstlich gefürchtet habe, die Aeußerung von 
Radowitz werde zur Wahrheit werden. Nachdem dann eine friedliche 
Wendung eingetreten sei, habe Radowitz sich über seine eigne Unvorsichtig- 
keit geärgert und die Schuld auf Gontaut geschoben. An der Unterredung 
zweifelt Decazes nicht. Er zitierte mir noch andre Aeußerungen, die für 
deren Wahrscheinlichkeit sprechen. Insbesondere habe Radowitz von dem 
preußischen Generalstab und dessen Beunruhigung gesprochen. 
Was die Zeitungsartikel betrifft, die Gontauts Stellung besprechen, 
so erzählt Decazes, dies sei so zu erklären und werde in den Kreisen der 
fremden Diplomaten so erzählt: Fürst Bismarck habe sich in ungünstiger 
Weise über Gontaut geäußert, und das sei nach der Abreise des Fürsten 
den Journalisten zu Ohren gekommen, die es dann verwertet hätten.
	        
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