Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 177
er möge ein braver Mann sein. Aber er könne nicht mehr mit ihm ver-
kehren. Ich erzählte das Wesentliche meines Gesprächs mit Decazes. Bis-
marck antwortete darauf, das sei alles ganz gut, aber Gontaut habe sich
hier eine Stellung bei Hofe gemacht, die ihn zur Fortführung der diplo-
matischen Geschäfte ungeeignet erscheinen lasse. Das möge zur Zeit der
Kaiserin Katharina II. ganz praktisch gewesen sein, in unfrer Zeit könne
er es nicht dulden, so wenig ein englischer Minister eine dem Ministerium
feindliche Intimität fremder Diplomaten mit der Königin dulden werde.
Ich sagte dann Bismarck, daß nach den neuesten Notizen Gontauts
Stellung hier wohl zu Ende sei, worüber er seine Freude äußerte. Ihm
liege vor allem daran, mit einem französischen Botschafter reden zu können.
Daß Gontaut in Petersburg Kriegsbefürchtungen geäußert hat und sich
dabei andeutungsweise auf die Kaiserin bezogen hat, scheint außer Zweifel.
Wir kamen dann auf das Gespräch zwischen Gontaut und Radowitz.
Bismarck sagte, Radowitz leugne, etwas Verfängliches gesagt zu haben.
Wenn er aber auch eine Unvorsichtigkeit geäußert hätte, so habe Gontaut
unrecht getan, darüber zu berichten. Der Rat des Auswärtigen Amts sei
nicht der Minister. Daß es hier mit Gontaut zu Ende ist und daß auch
der Kaiser nichts gegen seine Abberufung haben wird, ist außer Zweifel.
Was Radowitz betrifft, so sprach ich die Hoffnung aus, er werde von
Berlin fernbleiben. Bismarck sagte, er werde wieder zurückkommen, der
Staatssekretär könne nicht ohne ihn existieren. Ich riet ihm, unter Bezug-
nahme auf seine eignen Aeußerungen, Radowitz lieber zum Botschafter zu
machen, als ihn im Auswärtigen Amt zu behalten. Bismarck scheint sich
in dieser Beziehung durch Bülow haben breitschlagen lassen. Ich nannte
Bojanowski. Diesen erkennt Bismarck als fähig an, sagt aber, er habe
in einer Vertragsangelegenheit die Interessen des Reichs geschädigt.
Was die Botschaft betrifft, so wird Holstein erster, Stumm zweiter
und Arco dritter werden. Wohin Wesdehlen kommt, ist noch nicht be-
stimmt, entweder nach Bukarest, Weimar oder Darmstadt. Reuß soll mit
der Zeit an Werthers Stelle nach Konstantinopel, nach Wien Flemming
oder Werther, Andrässy will Keudell.
Berlin, 19. Dezember 1875.
Nach einem Diner bei dem Reichskanzler brachte ich das Gespräch
auf Gambetta und die Eventualität, daß dieser die Macht in die Hand
bekommen könne. Der Reichskanzler fiel mir sofort in die Rede und
sagte: „Der ist uns nicht gefährlich, wenn er auch Frankreich noch so stark
organisiert. Wir sind auch einem starken Frankreich stets gewachsen. Die
Gefahr liegt bloß in der Koalition und diese wird die französische Re-
publik gegen uns nicht zustande bringen.“ Er sprach dann von Rußland
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 12