Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

178 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
und Oesterreich. Ersteres habe in diesem Frühjahr einen Fehler gemacht, 
indem es sich auf unfre Kosten den Ruhm des Friedensstifters erwerben 
wollte. Gortschakow habe aber den Fehler eingesehen und sei jetzt um so 
liebenswürdiger gewesen. Die Schuld jener Episode schreibt der Kanzler 
dem Fürsten Orlow und Gontaut zu. Ersterer habe sich bei Gortschakow 
liebenswürdig machen wollen, und letzterer sei durch den Hof irregeführt 
worden. Rußland werde immer einsehen, daß es an uns einen uneigen- 
nützigen Nachbar habe. Wenn es sich einmal zu präpotent benehmen 
wolle, so sei Oesterreich da, um ihm Schach zu bieten. Die Allianz mit 
Oesterreich gegen Rußland habe aber keine Bedeutung, wenn auch Ruß- 
land daraus Gefahren entstehen könnten. 
In Oesterreich sieht der Reichskanzler zwei Parteien sich gegenüber- 
stehen, die von Andrässy und die von Schmerling. Ersterer mit uns 
gehend, letzterer, das vereinigte und zentralisierte Oesterreich, mehr gegen 
uns. Dazu slawische Vergrößerung, Unterdrückung Ungarns. Erzherzog 
Albrecht. Oesterreichisch-russische Allianz und gegenseitige Begünstigung 
bei Landesteilungen. 
Wir kamen dann auf Arnim. An eine Auslieferung seitens der 
Schweiz werde nicht gedacht. Er wolle ihm lieber die Mittel geben, wenn 
er sie nicht hätte, um das Weite suchen zu können. Daß Arnim sich bei 
der Kriegsentschädigungsfrage bereichert habe, gehe aus Briefen hervor, 
die in Beschlag genommen worden sind. Diese Akten hat der Staats- 
anwalt. Das wird noch in die Oeffentlichkeit kommen, und selbst Decazes, 
der mitspekuliert hat, könne, wenn er wolle, als Zeuge vernommen werden. 
Der Staatssekretär sprach heute Nachmittag über die orientalische 
Frage. Die Reformvorschläge sind ganz gut. Es kann aber schließlich 
doch noch zum Einrücken der Oesterreicher kommen. Am Schluß der 
Unterredung faßte der Reichskanzler das Gespräch zusammen: Gontauts 
Abberufung sei nötig, und Gambettas Regiment sei uns gleichgültig. 
An den Fürsten Bismarck. 
Paris, 1. Januar 1876. 
In ultramontanen Kreisen wird die Erzählung kolportiert, die auch 
den Weg in einzelne öffentliche Blätter gefunden hat, daß ich mich ent- 
schieden gegen den sogenannten Arnim-Paragraphen 1) der Strafgesetznovelle 
ausgesprochen hätte. Ich lege zu großen Wert auf das Vertrauen, mit 
dem Eure Durchlaucht mich zu beehren die Güte haben, um dasselbe der 
Gefahr auszusetzen, durch böswilliges Gerede erschüttert zu werden. Ich 
  
1) Der § 35 der Vorlage, welcher Beamte des Auswärtigen Amtes bezüglich 
der Entfremdung von Aktenstücken unter eine besondere Strafdrohung stellte.
	        
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