188 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
Am Freitag Morgen, dem Tage des Diners, starb Ricard!) Haätte ich
sofort Nachricht gehabt, daß die Minister nicht kämen, so hätte ich das
Diner verlegen können. Die Absagen kamen aber erst Nachmittags. Zu-
gleich erbot sich die Duchesse,.) dennoch zu kommen. Auch Madame Say
kam. Arco wurde zu Madame Waddington geschickt, um diese zu holen.
Der Mann war aber nicht zu Hause, und ohne dessen Genehmigung wagte
Madame Waddington nicht zu kommen. Glücklicherweise kamen Fürsten-
berg und Mollard, so daß doch noch ein einigermaßen anständiges Diner
zustande gebracht wurde. Gestern war ich bei Decazes, der mir das
Verlangen der englischen Kolonie in Pera mitteilte, eine Flotte vor Pera
zu haben. Fürstin Urussow, der ich davon sprach, hofft, daß einige Eng-
länder umgebracht werden möchten.
Mit dem Ministerium des Innern hat man viele Schwierigkeiten.
Der Marschall hätte ganz gern den Jesuiten Jules Simon genommen.
Die Fürstin Lises) behauptet, dieser werde nicht eintreten, wenn nicht
Decazes austrete. Sie mag diesmal recht haben, denn die Kandidatur
ist so schnell verschwunden, als sie gekommen ist. Marceère 4) wird wohl
Minister werden, obgleich ihn Baude einen Farceur nennt, der schon oft
die Farbe gewechselt habe. Thiers möchte Casimir-Perier bei dieser Ge-
legenheit an den Quai d'Orsay versetzen. Er scheint aber, wie Baude
erzählt, sich darein zu finden, daß die Sache jetzt noch nicht so geht, wie
er wünscht. Abends bei Ladmirault in einer schrecklichen Soiree, dann
zur Fürstin Trubetzkoy.
Paris, 18. Mai 1876.
Heute in Versailles, wo ich den alten Raspail sprechen sah, aber
nicht hörte. Dann sprach ein mir unbekannter Mann, dessen Rede das
war, was man in Berlin Blech nennt. Später kam Dufaure, der mit
großer Entschiedenheit die Kommune verurteilte und die Amnestie bekämpfte.
Zuletzt trat Floquet auf, der wieder für die Amnestie sprach und die
Kommune entschuldigte.
In einer Pause sprach ich Decazes, der seine Befriedigung über die
Berliner Beschlüsse 5) ausdrückte. Der Waffenstillstand von zwei Monaten
1) Der Minister des Innern, gestorben am 12. Mai.
2) Decazes.
8) Trubetzkoy.
4) Der Unterstaatssekretär im Ministerium des Innern de Marceêre wurde am
16. Mai zum Minister ernannt.
5) Das Memorandum (Seite 187), in welchem ein Waffenstillstand von zwei
Monaten zwischen der Pforte und den Aufständischen gefordert wurde.