Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

190 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
Er erzählte von einer Unterredung zwischen Odo Russell und Gontaut. 
Odo Russell habe gesagt, England denke so wenig daran, Aegypten zu 
nehmen, als Frankreich daran denke, Tunis zu nehmen. Gontaut habe 
darauf erwidert, Tunis habe für Frankreich kein Interesse, da es froh 
sei, einen Nachbar zu haben, der seine Grenze decke. Russell habe aber 
dies nicht anerkannt. Er scheint dies Frankreich als eine Kompensation 
in Aussicht gestellt zu haben. Decazes sagte dann, die Zurückhaltung 
Englands) werde auf die Haltung der Türkei nachteilig wirken, und er 
fürchte, daß der Waffenstillstand bei der Türkei auf Schwierigkeiten 
stoßen werde. 
Die bedenkliche Lage in Bulgarien wird mir von Hirsch bestätigt, der 
ebenso wie Decazes davon überzeugt ist, daß der Aufstand von den Russen 
gefördert und begünstigt wird. Nicht von der Regierung, sondern von 
der russischen Nation. 
21. Mai. 
Heute Morgen sagte mir der Duc Decazes, daß er von Berlin Nach- 
richt habe, daß Fürst Gortschakow vorschlage, sofort mit Entschiedenheit 
in Konstantinopel vorzugehen. Dieser Schritt, fürchtet Decazes, werde 
England verletzen, dem man etwas mehr Zeit gönnen solle, auf seinen 
Entschluß zurückzukommen. Gehe man zu rasch vor, so zerstöre man die 
Hoffnung, England zu gewinnen. Es wäre seiner Ansicht nach ratsam, 
Zeit zu gewinnen. Er wird wohl in diesem Sinne an Gontaut ge- 
schrieben haben. 
Die Engländer sollen dadurch verletzt sein, daß Schuwalow an Disraelie 
das Ersuchen gestellt hat, sich bald zu entscheiden. Disraeli hätte geant- 
wortet: „Est-ce due la Russie nous prend pour le Monténégro pour 
nous fixer un terme de 24 heures?“ 
Paris, 21. Mai 1876. 
Diner bei der Princesse de Sagan. Prachtvolles Hotel. Anwesend 
Duchesse de Galliera, Herzog und Herzogin von Sagan, Valencay, 
Nigra u. a. 
Nachher zu Decazes. Blowitz findet, daß die Engländer recht haben, 
nicht beizutreten. Es sei Prinzipsache bei ihnen, an keiner Intervention. 
teilzunehmen, und diese stehe bevor, sei wenigstens beabsichtigt. Der Waffen- 
stillstand werde zur Folge haben, daß die Türken in diesem Jahre nichts 
mehr machen können und daß sich der Aufstand also in das nächste Jahr 
hinüberspielen werde. Die Intervention hält er aber für unmöglich, weil 
  
1) Frankreich und Italien waren dem Berliner Memorandum beigetreten, 
England hatte den Beitritt abgelehnt.
	        
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