12 Im Reichstage (1870 bis 1874)
gegen 47 Stimmen angenommen. Die Kammer der Reichsräte hielt am
20. Juli zunächst um 11 Uhr eine geheime und dann um 12 Uhr eine
öffentliche Sitzung. In der ersteren wurde der Beschluß gefaßt, den
Gesetzentwurf in der öffentlichen Sitzung ohne Diskussion anzunehmen.
Der Oberkonsistorialpräsident von Harleß hatte den persönlichen Wunsch
ausgesprochen, in der öffentlichen Sitzung zu reden, zog aber demnächst
diesen Wunsch zurück. Die Annahme des Gesetzentwurfs erfolgte ein-
stimmig.
Journal.
München, 20. Juli 1870.
Wir hatten zuerst eine vertrauliche Sitzung, in welcher der Beschluß
gefaßt wurde, die Sache ohne Diskussion anzunehmen. Hier sprachen außer
Thüngen und Pranckh nur Bomhard und Harleß. Letzterer wünschte in
der öffentlichen Sitzung zu reden, da man, er wisse nicht warum, Zweifel
im Lande über seine Abstimmung hege. Ich nahm deshalb das Wort
und sagte, das komme von seiner Haltung bei der Adreßdebatte. ) Meine
Rede war aber so gefaßt, daß mir Harleß nachher gerührt die Hand
drückte. Ich hatte eigentlich nur gesprochen, um zu probieren, wie ich
rede, da ich so lange geschwiegen. Nach der Sitzung ging ich mit dem
Kriegsminister, dem ich sagte, wenn er mich brauchen könne, so solle er
mich rufen. Er meinte, man werde mich, wenn es sich um den Friedens-
schluß handle, sehr nötig brauchen, um dann mit Bismarck zu verhandeln.
Die Gefahr, daß ich wieder das Ministerium übernehmen müsse, ist vor-
läufig beseitigt. Die Telegramme, welche von Völderndorff und Schanzen-=
bach ausgingen, waren veranlaßt durch die Unruhe der Deutschen Partei
einerseits und durch den Wunsch andrer, mich aus persönlichen Gründen
wieder im Amte zu sehen. Ernstlich war davon im Kabinett nicht die
Rede, man sieht dort ein, daß es jetzt nicht ginge. Sollte Bray körperlich
nicht mehr aushalten, so wird man Lutz das Ministerium des Aeußern
übertragen, der danach strebt, die Stellung Pfordtens zu erlangen, und
für Jahre der mächtige Ministerpräsident zu sein. Eisenhart ist ganz
unter seinem Einfluß. Ich hätte jetzt nur einen Finger zu rühren gehabt,
um wieder Minister zu werden. Ich mußte es aber unterlassen schon im
Interesse der Sache. Zudem moöchte ich nicht derjenige sein, der die Ver-
antwortung für das zu tragen hat, was in den nächsten Monaten über
Bayern kommen wird. Wenn wir siegen, so wird, fürchte ich, die deutsche
Strömung so überhandnehmen, daß die Regierung zum Eintritt in den
Nordbund gezwungen werden wird.
1) Bd. I S. 417.