Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1874) 13 
München, 22. Juli 1870. 
Die Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 19. war für mich 
persönlich von größerer Wichtigkeit, als ich anfangs glaubte, und ich kann 
Gott danken, daß die Regierungsvorlage angenommen wurde. Wäre statt 
der Kriegskostenbewilligung die Neutralität beschlossen worden, so würde 
das ganze Ministerium zurückgetreten sein. Dann würde man ohne Zweifel 
an mich gekommen sein mit dem Auftrag, ein neues Ministerium zu bilden. 
Dies hätte nur ein sehr entschieden fortschrittliches sein können, welches 
die Kammer aufgelöst, die Verfassung fuspendiert, den Belagerungszustand 
verkündet und den Krieg begonnen hätte. Das wäre ein sehr gefährliches 
Experiment gewesen, bei dem ich meinen Hals riskiert hätte. Denn wäre 
die Sache schlecht ausgefallen, siegten die Franzosen, so hätte ich dieselben 
Schreier gegen mich gehabt, die jetzt den Krieg wollen, und ich würde 
mit Schimpf und Schande davongejagt worden sein. Aber auch bei 
günstigem Ausgang hätte Bayern wenig profitiert. Es war also nicht 
viel zu gewinnen. Jetzt ist die Sache im Gang, geht Bray jetzt ab, was 
Gott sei Dank nicht zu erwarten ist, so kann der Minister nichts andres 
tun als auf dem eingeschlagenen Weg ruhig fortgehen. 
Gestern verbreiteten sich hier Gerüchte über drohende Haltung von 
Oesterreich. Dazu trugen die Nachrichten bei, die Quadt von Paris mit- 
brachte und welche die Tätigkeit Metternichs als eine sehr kriegerische be- 
zeichnen. Ich war gestern bei Döllinger, den ich bat, darauf hinzuwirken, 
daß der Erzbischof etwas tue, um auf die Geistlichen beruhigend einzu- 
wirken, daß sie jetzt, wo die Entscheidung einmal getroffen ist, nicht unfre 
Soldaten aufhetzen. Er riet mir, zu Haneberg) zu gehen, was ich auch 
tat. Haneberg war meiner Ansicht und versprach mir, mit dem Erzbischof 
zu reden. Diese Hetzereien haben jetzt keinen Sinn mehr. Die Mobilisierung 
der bayrischen Armee geht rasch vor sich. Hätten wir gute Gewehre, so 
wäre alles gut. 
Der Herzog von Augustenburg ist hier, um sich dem König zur 
Disposition zu stellen. Ich werde mit ihm heute zu Pranckh gehen. 
München, 26. Juli 1870. 
Gestern von Schillingsfürst zurück. Unterwegs viele Soldaten ge- 
sehen, die zu ihren Regimentern einrückten. Die Franken gehen meistens 
mit frohem Mut. Der Bauer sagt: „Der Krieg ist nötig, sonst bekommen 
wir keine Ruh! Der elende Tropf, der Napoleon, muß weggejagt werden. 
Dann wird's besser.“ An einzelnen Orten, auch in Schillingsfürst, hetzt 
die katholische Geistlichkeit noch unter dem Eindruck des „Volksboten“. In 
  
1) Damals Abt von St. Bonifaz in München, später Bischof von Speyer.
	        
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