Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

214 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
er, daß Italien dies sehr ungern sehen würde. Wenn also Oesterreich 
Bosnien oder die Herzegowina besetzte, könnten andre Verwicklungen daraus 
entstehen. 
Paris, 26. April 1877. 
Heute Empfang beim türkischen Botschafter um 3 Uhr. Als ich 
hereintrat, nahm er mich beim Arm und sagte mir, er habe eben gute 
Nachrichten. Lyons lese eben die Depesche. Ich setzte mich zu diesem und 
fand die Zirkulardepesche, ) in welcher die Türkei auf Grund von Artikel 8 
des Pariser Vertrags die Mediation verlangt. Ich sagte Khadil Pascha, 
daß dies etwas spät sei, aber nicht schaden könne. Lyons meint, daß es 
nur der Türkei schaden werde, da die Russen nun während der Unter- 
handlung ruhig in Rumänien einrücken könnten. 
Dann ging ich zu Decazes, der mir sagte, er habe das Zirkular 
erhalten, aber noch nicht mit Khadil Pascha gesprochen. Er habe die 
Absicht, ihn zu fragen, ob die Pforte das Protokoll annehme und ihre 
Zirkulardepesche zurückziehe. Dann könne man weiter reden. Er ist der 
Ansicht, daß das Protokoll schon ein Mediationsversuch war, der ge- 
scheitert ist. 
Gontaut hat berichtet, Bülow habe ihn gefragt, ob Decazes die 
Schiffe in den türkischen Gewässern vermehren wolle. Er habe noch nicht 
geantwortet, da er Mühe habe, seinen Kollegen von der Marine dazu zu 
bewegen. Er sei aber von der Notwendigkeit überzeugt, drei Schiffe mehr 
hinzuschicken, die dann mit den deutschen und italienischen die Neutralen 
repräsentierten und sich in die Beobachtung der türkischen Häfen teilen 
könnten. Panzerfregatten wolle er nicht hinschicken, die hätten einen zu 
aggressiven Charakter. 
Was Rumänien betrifft, so hat ihm Callimaki gesagt, wenn die 
Mächte Rumänien nicht vor der türkischen Invasion schützten, so würde 
Rumänien sich nur durch die Eingebungen seiner Verzweiflung leiten lassen. 
Decazes hat gefragt, er vermute, daß die Verzweiflung Rumänien ver- 
anlassen werde, sich mit Rußland zu verständigen. 
Da Callimaki dies bejahte, so sagte Decazes, in diesem Falle stände 
es ihm als dem Minister eines neutralen Staats nicht zu, ein Urteil zu 
fällen oder einen Rat zu erteilen. 
Ein Herr Plogino, früher Präsident des rumänischen Senats, kam 
zu mir und erzählte mir, daß er zum Kommissar bei den russischen 
Truppen ernannt sei, und wollte von mir Auskunft. Ich verweigerte jede 
Auskunft, und da er mich dann um Rat fragte, so erwiderte ich, an seiner 
Stelle würde ich einen guten Posten annehmen. 
1) Vom 23. April, am 24. erfolgte die russische Kriegserklärung. 
 
	        
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