Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

216 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
Aburteilung der Preßvergehen gegen fremde Souveräne den Geschworenen 
zuweisen will. Auch hier schwiegen sie. Darüber war der Marschall 
ärgerlich und schrieb Jules Simon den in der „IAgence Havas“ ab- 
gedruckten Brief, der das Entlassungsgesuch Simons veranlaßte. Der 
Marschall nahm sie sofort an. Die andern Minister folgten. 
Decazes war Jules Simon schon lange zuwider. Er hat jedenfalls 
dazu beigetragen, daß Jules Simon gestürzt worden ist. 
Decazes hält die Auflösung für unvermeidlich, ein „ministère de 
dissolution“ aber für gefährlich. Er hat mit Léon Renault gesprochen 
und will ein liberales Ministerium, das aber Energie genug besitzt, um 
sich nicht ganz ins Schlepptau der Linken nehmen zu lassen, und das die 
Auflösung durchführt, ohne daß man über Reaktion schreit und dadurch 
die Wahlen verdirbt. Das einzige, was Decazes geniert, ist, daß die 
klerikale Debatte noch zu nahe ist 1) und daß man die Entlassung Simons 
mit dieser Debatte in Verbindung bringen wird. Augenscheinlich ist der 
Marschall zu früh losgegangen. Decazes hatte noch einige Zeit warten 
wollen. Er fragte mich, wie man bei uns die Auflösung aufnehmen 
würde. Schlecht, sagte ich, in der öffentlichen Meinung, wenn sie von 
Buffet und Fourtou gemacht würde. 
Paris, 24. Juni 1877. 
Heute war ich zum Diner bei Decazes. Ich saß neben der Herzogin, 
die mich einlud, sie in Arcachon, wohin sie anfangs August geht, zu be- 
suchen. Neben mir saß die kleine Wiener Rothschild. Nach Tisch bei der 
Zigarre wurde viel von Bordeauxweinen gesprochen. Monsieur de Tracy, 
der Präfekt von Bordeaux, erzählte davon. 
Später kam ich mit Decazes in ein längeres Gespräch. Er gab die 
Analyse einer beruhigenden Depesche nach Berlin, rühmte das entgegen- 
kommende Benehmen Bülows, verteidigte sich gegen den Vorwurf, daß die 
französische Regierung ultramontan sei, und führte zum Beweise die In- 
struktionen an, die er Baude gegeben, und dem er gedroht haben will, ihn 
von Rom abzuberufen, wenn er nicht beruhigend auf den Papst einwirke, 
insbesondere in bezug auf Deutschland. Ich sprach mein Bedauern in 
bezug auf die Reise Gontauts nach Ems2) aus, erinnerte an Benedetti 
und verhehlte ihm nicht den Eindruck, den das Verweilen Gontauts in 
Ems auf Bismarck mache. Decazes verteidigte Gontaut, suchte nachzuweisen, 
daß dieser bloß seiner Gesundheit wegen nach Ems gehe. Ich drang 
  
1) Diese hatte am 4. Mai stattgefunden. Die Tagesordnung der Kammer 
(361 gegen 121 Stimmen) hatte die Kundgebungen der Ultramontanen als „eine 
Gefahr für den innern und äußern Frieden“ bezeichnet. 
2:) Wo sich Kaiser Wilhelm seit dem 15. Juni aufhielt.
	        
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