Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 217 
nicht weiter in den Herzog, da es jetzt nutzlos sein würde, vor dem Ausfall 
der Wahlen eine Aenderung zu erzwingen, weil Decazes keinen andern Bot- 
schafter finden würde, der uns angenehm wäre. 
28. Juni. 
Abends war ich bei Thiers. Er schmeichelt sich mit der Hoffnung, 
daß die Wahlen 1) für die Republikaner günstig ausfallen und daß diese 
mit 400 Stimmen wieder kommen werden, in welchem Falle der Marschall 
abtreten würde. Ich erzählte Herrn Thiers, daß mir von einem Royalisten 
gesagt worden sei, sie hätten in Bordeaux 500 Stimmen für sich gehabt 
und hätten die Monarchie gründen können, wenn Thiers sich nicht dagegen 
gestemmt hätte. Herr Thiers ging lebhaft darauf ein und erklärte mir in 
längerer Auseinandersetzung, daß jene Behauptung unrichtig sei. Er habe 
sich in Bordeaux einer Necessité absolue gegenüber befunden. Die Assem- 
blee habe nicht 500, sondern nur 200 Royalisten gehabt. 300 Stimmen 
waren Republikaner. Es war deshalb unmöglich, an eine Wiederherstellung 
der Monarchie zu denken. Er habe dazu keinen Beruf und auch nicht die 
Macht gehabt. Eine Monarchie könne nur von einem Sieger an den 
Pyramiden oder bei Rivoli gegründet werden. Zudem habe er keine 
Truppen gehabt. Sie seien dort von 6000 Bordeauxer Nationalgarden 
beschützt worden, die Republikaner waren. Als die Prinzen von Orleans 
ankamen, haben sowohl die Legitimisten wie die Republikaner schon Verrat 
gewittert. Wenn er nicht große Zerwürfnisse habe entstehen lassen wollen, 
so habe er die Republik aufrechterhalten müssen. Er erzählte dann von 
den Friedensverhandlungen in Versailles u. s. w. Die ganze Rechtfertigung 
trug das volle Gepräge der Wahrheit an sich. 
Paris, 3. Juli 1877. 
Gestern kam Herr Thiers zu mir und fragte mich, ob ich heute zu 
ihm kommen wolle, um Gambetta zu sprechen. Er werde um ½12 Uhr 
kommen. Ich sagte natürlich zu und ging hin. Gambetta war schon da, 
als ich in das schöne Schreibzimmer des Herrn Thiers kam. Wir begrüßten 
uns und setzten uns, Thiers auf einer Seite, ich auf der andern, Gambetta 
uns beiden gegenüber in der Mitte. Wir sprachen von allerlei, vom 
Krieg in der Türkei, von England u. s. w. Dann erzählte Thiers seine 
alten Geschichten von Metternich, Talleyrand und Louis Philipp. Gam- 
betta und ich hörten respektvoll zu. Ich habe nie in zwei Leuten so die 
Gegenwart und die Vergangenheit verkörpert gesehen wie in diesen Männern. 
Gambetta, den die alten Geschichten wenig interessiert haben mögen, hörte 
  
1) Am 25. Juni war die Kammer aufgelöst worden.
	        
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