Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 219 
werden würde, und war sehr befriedigt, als ich ihm sagte, daß man dies 
in Berlin freudig begrüßen würde, und stimmte mir bei, als ich beifügte, 
daß die Befestigung der Republik eine détente in den Beziehungen zwischen 
Deutschland und Frankreich herbeiführen werde. 
Thiers ist beunruhigt über die orientalische Frage. Er behauptet, die 
Russen gingen mit einer étourderie vor, die schließlich Oesterreich und 
England zwingen würde, mit teilzunehmen. Dadurch würde eine große 
Verwicklung entstehen. „Et qu’est-ce due vous ferez alors?“ Ich ant- 
wortete nicht. 
Paris, 9. August 1877. 
Thiers besuchte mich heute Nachmittag. Ueber die hiesigen Verhält- 
nisse sagte er, es herrsche bei der Regierung „de la consternation“. 
Man sehe, daß das Volk gegen die Beunruhigung, in die man durch die 
Schuld des Marschalls gestürzt worden, „exasperiert" sei. Man sage: 
„Mais qdue veut donc cette vieille bate?#“ Mac Mahon sei überall 
„déconsidéré“ Während der Reise 1) habe man überall sehr laut „Vive 
la républiquel!“ gerufen. Es sei möglich, daß der Marschall seine weiteren 
Reisen deshalb unterlassen werde. 
Ich fragte ihn, ob es ihm recht wäre, wenn ich ihn in Dieppe be- 
suchen würde. Er sagte jawohl, denn das Land werde daraus den Beweis 
entnehmen, daß die republikanische Partei mit Deutschland und mit dem 
Ausland überhaupt bessere Beziehungen unterhalte als das gegenwärtige 
Gouvernement. Da er aber wahrscheinlich nach St. Germain gehen wird, 
so werde ich ihn wohl dort und nicht in Dieppe besuchen. 
Gastein, 5. September 1877. 
Abreise von München Montag früh. In Salzburg mit Fürstin Urussow 
gegessen. Nach Bischofshofen. Von dort nach Lend. In der Dunkelheit 
und bei Regen nach Gastein. Dort kleines Zimmer im Schweizerhaus. 
Herbert Bismarck kam zu mir, um mir die Nachricht von Thiers' Tode:) 
zu bestätigen. Heute früh Bad, dann Spaziergang und Kaffee in der 
Wandelbahn. Dann Besuch bei der Fürstin Bismarck. Um 1 Uhr beim 
Reichskanzler, den ich sehr wohl und frisch fand. Er bedauert den Tod 
des alten Thiers, glaubt, daß es ein großer Verlust für Frankreich sei, 
und fügte bei, daß Thiers der einzige Mann in Frankreich gewesen sei, 
der eine Allianz der Westmächte mit Oesterreich mit Erfolg hätte suchen 
können. Jetzt werde Frankreich noch uneiniger werden als bisher. Was 
die Allianz betrifft, so fürchtet sie Bismarck nicht, solange Andrässy bleibt. 
  
1) Mac Mahons in die Normandie am 16. August. 
2) Am 3. September.
	        
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