Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

228 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
Paris, 18. Februar 1878. 
Am 14. Diner bei Roger (du Nord) mit verschiedenen republikanischen 
Deputierten, u. a. Gambetta. Er begrüßte mich beim Hereintreten mit 
besondrer Freundlichkeit und erwähnte des Tags, als wir uns bei Thiers 
zuletzt getroffen hatten. Nach Tisch lange Unterredung mit ihm über 
England, Seekriege und deren veränderten Charakter. Er ist der Meinung, 
daß England keine ausschlaggebende Macht mehr sei, seitdem jedes Kriegs- 
schiff durch Torpedos vernichtet werden könne. Dann vom 16. Mai und 
von dem, was er hätte tun wollen, wenn der Marschall nicht nachgegeben 
hätte. Gambetta ist meiner Ansicht über ultramontanen Einfluß in 
England. 
Heute mit dem Abbeé bei Decazes gesprochen. Er legte sehr interessant 
dar, daß die katholische Universität das Gute haben würde, daß sich darin 
eine theologische französische selbständige Fakultät mit der Zeit bilden 
werde. Jetzt müsse dieselbe sich Rom unterwerfen. Wenn aber einmal 
tüchtige Kräfte da seien, so werde man schon die Fähigkeit erlangen, Rom 
entgegenzutreten, um eine französische, er wolle nicht sagen gallikanische, 
Kirche zu gründen. 
28. Februar. 
Die letzten Tage waren unruhig: Abends Soireen, bei Tag Arbeit. 
Man fürchtet Krieg zwischen England, Oesterreich und Rußland. Allgemeine 
Indignation gegen die russische Unverschämtheit und Wunsch, daß wir 
etwas tun sollen, um die Russen zum Frieden zu zwingen. Bismarck hat 
sehr recht, das abzulehnen. Wenn wir es täten und Rußland in Ge— 
meinschaft mit England und Oesterreich im Schach hielten, so würde uns 
das Rußland wenig danken. Käme es zum Krieg und siegten England 
und Oesterreich, so würden wir von diesen keinen Dank ernten und mit 
Rußland auf ewige Zeit verfeindet, also in Europa isoliert sein. 
Heute Abend Soiree im Elysée zu Ehren des österreichischen Kron- 
prinzen. Auch Prinz Leopold von England war da. Die Schauspieler 
der Comédie Frangaise spielten ausgezeichnet: Croizette, Favart, Semary, 
Delaunay und Coquelin. Der Kronprinz schien wenig davon zu verstehen 
und sich zu langweilen. Prinz Leopold war entzückt und folgte mit großer 
Aufmerksamkeit. 
Paris, 27. März 1878. 
Gambetta, den ich heute beim Diner Freycinet 1) traf, sagt, seine 
Nachrichten über den Papst) lauteten ebenso günstig wie die meinigen; 
doch sehe er in diesem Papst eine Gefahr, da er geeignet sei, die Leute 
  
1) Minister der öffentlichen Bauten in dem neuen Ministerium. 
2) Pius IX. war am 7. Februar gestorben, Leo XIII. am 20. Februar gewählt.
	        
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