Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

230 Botschafter in Paris (1874 bis 1855) 
Paris, 11. Mai 1878. 
Heute war ein mühsamer Tag. Um 2 Uhr war in der deutschen 
Kunstausstellung die Eröffnungsfeier. Werner hielt zuerst eine Rede an 
mich, worauf ich ihm dankte und dann den Minister und Herrn Berger 
anredete. Das französische Reden coram publico ist mir noch etwas 
schwer und macht mir Herzklopfen. Der „Soir“ bringt schon die Rede. 
Dann besahen wir uns die Bilder, und ich machte einige Visiten. Abends 
war Diner der deutschen Künstler. Ich erhielt vorher die Nachricht von 
dem Attentat!) und brachte bei dem Diner einen Toast auf den Kaiser aus. 
Abends bei Hirsch wurde ich viel darüber gefragt, und alle Welt 
bezeugte große Teilnahme. 
Berlin, 12. Juni 1878.2) 
Gestern früh fuhr ich von Paris weg. Mit Gontaut-Biron, der 
ebenfalls nach Berlin reiste, unterhielt ich mich unterwegs eine Zeitlang. 
Dann stieg er in sein Kompartiment, und wir trafen erst in Köln wieder 
zusammen, wo wir in den Königszimmern zu Mittag aßen. Abends im 
Sleeping-Car sprachen wir von seiner Abberufung von Berlin, über die 
er sich noch nicht trösten kann. Er begreift nicht, was der Reichskanzler 
gegen ihn habe. 
Bei der Ankunft in Berlin fand ich Viktor auf dem Bahnhofe. Wir 
frühstückten zusammen, besprachen verschiedenes und fuhren dann ins Palais, 
um uns nach dem Kaiser zu erkundigen. Viktor reiste dann um 12 Uhr 
ab. Ich ging ins Auswärtige Amt und fand Bülow, Holstein, Bucher 
und Radowitz. Aus den verschiedenen Konversationen entnehme ich 
folgendes. Zwischen Rußland und England ist Verständigung, wenn auch 
keine vollständige. Man hofft aber darüber ins klare zu kommen. 
Beaconsfield äußert sich gemäßigt. Der Reichskanzler wünscht gleich 
morgen die bulgarische Frage zur Sprache zu bringen. Oesterreich dagegen 
ist noch keineswegs zufrieden. Andrässy, der zwischen den Tendenzen des 
Hofs und der Militärpartei und den ungarischen Antipathien und Wünschen 
herumlaviert, hat die Gelegenheit verpaßt, einen entscheidenden Schritt in 
der orientalischen Frage zu machen, und will nun, daß der Kongreß ihn 
zwingen soll, in Bosnien einzurücken. Wir haben aber bei allem guten 
Willen und allen guten Wünschen für Oesterreich keine Lust, uns mit 
England und Rußland zu entzweien, um Andrässy aus der Verlegenheit 
zu ziehen. Andrassy, den ich bei Beaconsfield traf, fährt nun in der Stadt 
1) Auf den Kaiser Wilhelm am 11. Mai. 
2) Reise zum Berliner Kongreß, bei dem Fürst Hohenlohe neben dem Fürsten 
Bismarck und dem Staatssekretär von Bülow Deutschland vertrat. Die Eröffnung 
fand am 13. statt. 
  
 
	        
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