Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 231 
herum und beschwört die Kongreßmitglieder, doch einige Tage Zeit zu 
lassen und nicht gleich in medias res zu gehen. Man könne sonst in 
ganz unentwirrbare Situationen kommen. Odo Russell, den ich nachher 
sah, meinte, Bismarck sei damit einverstanden, daß man morgen nur 
Formelles verhandle. Ich weiß davon nichts. Karolyi wußte auch nichts 
davon, doch wünscht er es. 
Im Auswärtigen Amt sind allerhand kleinliche Intrigen über die 
Teilnahme einzelner Räte an dem Kongreß u. s. w. Mich hat Bismarck 
gewählt, um dem König von Bayern sagen zu können, daß man aus 
Rücksicht für Seine Majestät Allerhöchstdessen Kronoberstkämmerer ge- 
nommen habe. 
Bei Lord Beaconsfield war ich nur einen Augenblick. Erst ging 
Andrässy hinein, der sehr aufgeregt und grantig erschien, was ich begreife. 
Dann führte mich Lord Beaconsfields Sekretär zu ihm, und wir begrüßten 
uns. Er sagte, er sei „enchanté de faire ma connaissance“. Ich ver- 
abschiedete mich bald, indem ich sagte, ich wisse, daß er zum Kronprinzen 
gerufen sei, hätte ihm daher nur „voulu serrer la main“, worauf er 
sagte: „Oh oui, serrer la main, oh oui!“ worauf wir schieden. 
Heute Abend bei dem Großherzog und der Großherzogin von Baden 
zum Tee. Es wurde viel vom Attentat, ) von Sozialdemokraten und 
dann von Rom gesprochen. Um 11 Uhr fuhr ich zum Reichskanzler. Ich 
war kaum im Salon, als er hereinkam. Ich finde ihn gealtert, aber 
munter. Sein Vollbart macht ihn alt. Er war sehr irritiert darüber, 
daß ihn die fremden Bevollmächtigten, insbesondere Waddington und 
St. Vallier und auch Salisbury, empfangen hätten, als er seine Visiten- 
tournee machte. Das sei kleinstädtisch und habe ihn unnötig ermüdet. 
Morgen um 2 Uhr ist die erste Kongreßsitzung, und zwar in Uniform 
auf Wunsch Lord Beaconsfields. 
13. Juni. 
Der Vormittag verging mit Besuchen. Um ½2 Uhr fuhr ich nach 
dem Bismarckschen, früher Radziwillschen Palais. Ich fand in dem 
großen Saal nur Radowitz, der mit Herrichten der nötigen Papiere be- 
schäftigt war. In dem großen früheren Tanzsaal war ein grüner Tisch 
in Hufeisenform aufgestellt. In der Mitte Platz für den Präsidenten, an 
beiden Seiten: Frankreich links, Oesterreich rechts. Dann neben Oesterreich 
England, neben Frankreich Italien. Dann weiter: rechts Rußland, links 
die Türkei. Bismarck gegenüber sitzt Radowitz als Protokollführer, ich 
links, Bülow rechts. 
  
1) Vom 2. Juni, wo Kaiser Wilhelm verwundet war.
	        
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