232 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
Bald kam der Staatssekretär und dann der Reichskanzler. Wir
gingen nach dem in einem Nebenzimmer aufgestellten Büfett, tranken Port-
wein und aßen Biskuit. Nach und nach kamen nun die Bevollmächtigten.
Der Graf Corti, ein kleiner häßlicher Mann, der wie ein Japaner aus-
sieht, mit Launay. Dann der Türke, ein unbedeutender junger Mann,
Graf Schuwalow, dann der alte Gortschakow, sehr wacklig, und endlich
die Engländer und Franzosen. Waddington in gestickter Uniform. Das
erste Zusammentreffen zwischen Lord Beaconsfield und Gortschakow war
interessant als historischer Moment.
Darauf wurde in den Sitzungssaal gegangen. Bismarck hielt eine
Begrüßungsrede und schlug vor, das Bureau zu konstituieren. Andrässy
ergriff dann nach vorheriger Uebereinkunft mit den übrigen Bevoll-
mächtigten das Wort und schlug die Wahl Bismarcks zum Präsidenten
vor. Er machte dann die Vorschläge bezüglich der Sekretäre und Protokoll-
führer, die angenommen wurden, worauf ich das Personal hineinführte.
Dann schlug der Reichskanzler vor, erst an die wichtigsten Fragen zu
gehen, und zwar mit Bulgarien anzufangen. Zugleich aber riet er, einige
Tage Zeit zu lassen, was Andrässy gewünscht hatte, und erst am nächsten
Montag wieder eine Sitzung zu halten.
Darauf ergriff Lord Beaconsfield das Wort und hielt eine längere
englische Rede. Sehr klar und bestimmt. Er meinte, es sei nötig, daß
während des Kongresses die feindlichen Armeen nicht in nächster Nähe
stünden. Er hielt das für gefährlich und der Würde des Kongresses nicht
entsprechend. Der Reichskanzler fragte, ob die russischen Bevollmächtigten
sich darüber äußern wollten. Gortschakow sprach einige Worte, die auf
die Frage keinen Bezug hatten, und sagte etwas von der Notwendigkeit,
das Schicksal der Christen im türkischen Reich zu schützen. Schuwalow
ging auf die Frage ein und widersprach dem Lord Beaconsfield. Bismarck
beeilte sich vorzuschlagen, die Frage heute nicht weiter zu diskutieren. Das
wurde auch beschlossen. Nachher kam der Türke und protestierte gegen
einige Behauptungen Schuwalows, der Reichskanzler machte ihn aber
darauf aufmerksam, daß die Diskussion schon geschlossen sei.
Salisbury brachte noch die Griechen zur Sprache und kündigte an,
daß er deren Zulassung zum Kongreß beraten zu sehen wünschte. Gor-
tschakow erwiderte, daß dies zur Folge haben würde, daß auch andre
Nationen den gleichen Anspruch erheben würden. Da die Frage aber
heute nicht diskutiert werden sollte, so blieb es bei diesen Bemerkungen,
und der Reichskanzler schloß nach einigen die Geschäftsordnung betreffenden
Bemerkungen die Sitzung.
Das Ganze sah etwas bedenklich aus. Beaconsfield macht den Ein-
druck, die englische Stellung in rücksichtsloser Weise geltend machen zu