Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 237 
entschiedener und entschlossener, als er bisher geglaubt habe. Es wolle 
durchaus nicht dulden, daß Montenegro Antivari bekomme und daß die 
Serben mit Bosnien und Montenegro ein Reich unter Nikita proklamierten. 
Letzteres werde aber der Fall sein, wenn Oesterreich nicht Maßregeln 
treffe. Oesterreich will aber gezwungen werden, in diese Länder ein- 
zurücken. Es könne also kommen, daß Oesterreich sehr unzufrieden sei, 
und deshalb denke es an die Möglichkeit, den Kongreß zu verlassen. 
Dies aber wolle es nicht allein tun, und deshalb habe es England son- 
diert, ob dieses etwa bereit sei, im Falle ihm nicht in Bulgarien die 
nötigen Zugeständnisse gemacht würden, auch vom Kongreß zurückzutreten. 
Die Engländer hätten darauf noch nicht geantwortet. Blowitz meinte, es 
sei sehr gut, wenn man die Engländer zufriedenstelle, dann sei man sicher, 
daß Oesterreich allein nicht austreten werde. England aber, bliebe es 
allein oder sei es unzufrieden, würde sich nicht im geringsten genieren, 
allein auszutreten. 
Ich notierte das alles und gab es bei Bismarck ab. Als ich ihn 
dann vor der Sitzung sprach, meinte er, es werde wohl seine Richtigkeit 
haben. Auch Schuwalow ist der Meinung und hofft deshalb, daß man 
ihm von Petersburg die Möglichkeit gewähren werde, die Engländer zu- 
friedenzustellen. 
Die Sitzung war wenig interessant. Die Frage über die Zulassung 
Griechenlands wurde debattiert und später angenommen. Daß die Fürstin 
Lise Trubetzkoy hier ist, erfüllte sämtliche Kongreßmitglieder mit Entsetzen. 
Selbst der alte Gortschakow meinte, sie dürfe nicht länger als zwei Tage 
hier bleiben. Waddington und St. Vallier fuhren nach der Sitzung zu 
der Fürstin. Ich ging spazieren. « 
Abends Diner bei Launay, wo ich zwischen Lord Odo Russell und 
Mehemed Ali saß. Ich ging nachher zu Fuß nach dem Palais zum Tee 
bei der Großherzogin von Baden. Die Kaiserin, der Kronprinz und der 
Großherzog waren da. Ich belehrte die Herrschaften über die Stimmung 
in Paris. Nachher zu Karolyi, wo viele Menschen waren. Fürstin Lise 
und Nini, Gräfin Oriolla, Frau von Schleinitz u. a. Auch die Monte- 
negriner in ihrem Kostüm. Um 12½ nach Hause. 
20. Juni. 
Waddington sagt mir, daß Rußland die Balkangrenze definitiv zu- 
gegeben hat. Ueber Sofia ist man noch in Unterhandlung. Die Eng- 
länder wollen, daß dafür Varna an die Türken gegeben werde. Wenn 
die Rumänen die ganze Dobrutscha wollen, so würde damit das neue 
Bulgarien vom Meer abgeschnitten sein. Das wird Rußland kaum zu- 
geben. Waddington findet, daß das Teilen von Bulgarien in zwei ver-
	        
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