Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 241
Borchardt. Dann in den Zoologischen Garten. Um ½11 Uhr zu Bis-
marck. Herbert kam, um mich im Namen seines Vaters zu bitten, für
übermorgen einen Prospekt auszuarbeiten, der dem Kongreß vorzulesen
wäre, worin die Punkte hervorgehoben würden, die der Kongreß noch zu
beraten hätte, nämlich die Territorialveränderungen, alles, was auf die
Schiffahrt in den Meerengen und auf der Donau Bezug hat, und die
Frage, wie das von den Kongreßmitgliedern zu unterzeichnende Instrument
zu redigieren wäre. Mit den Detailfragen könnte sich dann eine Kon-
ferenz der hier beglaubigten Minister beschäftigen. Der Pariser Vertrag,
insbesondere die darin enthaltenen Garantien, wären aufzuheben. Morgen
um ½11 Uhr soll ich darüber mit Bülow verhandeln und dann die Be-
vollmächtigten für die Sache gewinnen.
26. Juni.
Die Angelegenheit mit dem Prospektus, den wir dem Reichskanzler
vorlegen sollten, ist im Sand verlaufen. Das kam so: Heute Morgen
fuhr ich zu Bülow, der mit mir die Sache noch einmal durchsprach und
sagte, er hätte Jasmund beauftragt, die Zusammenstellung zu machen.
Darauf ging ich zu Jasmund, der bereit war, ein gründliches Memoire
auszuarbeiten. Wir verglichen den Vertrag von San Stefano mit dem
Pariser Vertrag von 56 und zerbrachen uns den Kopf über die Art der
Formulierung eines neuen Vertrags.
Ich ging dann zu Waddington, erzählte ihm die Sache und fand
volle Zustimmung. Um ½2 Uhr nach dem Sitzungslokal. Schuwalow
packte mich und sagte, er wisse schon von der Sache und wäre einver-
standen. In fünf Sitzungen könne alles fertig sein. Dann kam Andrässy,
der ebenfalls von der Sache wußte. Er hatte sich schon einen Plan zu-
rechtgelegt und schrieb mir diesen auf.
Er meinte, man könne folgende Punkte notieren, die noch zu beraten
wären:
1. Bosnien, Serbien, Montenegro.
A. Unabhängigkeitserklärung.
B. Bosnisch-serbische Anträge.
C. Grenzen von Serbien und Montenegro.
Dies wäre durch eine Subkommission zu beraten und im Plenum
vorzutragen.
2. Rumänien.
A. Unabhängigkeitserklärung.
B. Bessarabien.
3. Griechenland.
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II 16