Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

246 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
Präsidium niederlegen u. s. w. Ich hoffe, daß wir noch zu einem Aus- 
gleich kommen. 
Bleichröder gab ein großes Diner (ohne Salzfässer), wo die Frage 
vielfach erörtert wurde, nur war die Musik so lärmend, daß die Unter- 
haltung bei Tisch erschwert wurde. Abends bei Karolhyi. 
Heute früh um ½10 Uhr beim Kronprinzen im Garten, der mir 
über Rumänien sprach. Er bedauert, daß man die Russen an die Donau 
gelassen habe. Er interessiert sich für einen Kanal von der Donau nach 
dem Schwarzen Meer. Zugleich beauftragte er mich, die Kandidatur des 
Prinzen Nikolaus von Nassau zur Sprache zu bringen. Er will jemand 
aus souveränem Hause, das heißt aus einer depossedierten Familie. Andre 
wären nicht möglich. 
Berlin, 5. Juli 1878. 
Nach der Audienz beim Kronprinzen fuhr ich nach Hause, traf unter- 
wegs Dernburg, der sich mir in Wahlsachen zur Disposition stellte. Sein 
Anerbieten war aber nicht anzunehmen, da jetzt nichts zu tun ist. Ich schrieb 
nur an Marquardsen, um ihn zu fragen, ob das Münchner Wahlkomitee etwa 
einen Gegenkandidaten gegen mich aufstellen will. Um 1 Uhr ging ich in 
die Kommissionssitzung, wo die Beschlüsse über Rumelien besprochen und 
redigiert wurden. Um 2 Uhr ging ich zum Reichskanzler, um ihm über 
die Unterredung mit dem Kronprinzen Bericht zu erstatten, da ich in seinem 
Auftrage beim Kronprinzen gewesen war. Der Reichskanzler war froh, 
daß der Kronprinz seine Bedenken wegen Rumänien aufgegeben hat. 
Nachher Kongreßsitzung. Haymerle referierte über die Grenzen von Monte- 
negro. Dabei verlas er eine gedruckte Aufzählung der verschiedenen Punkte, 
die unvollständig war. St. Vallier machte ihn auf das Fehlende auf- 
merksam. Andrässy war indigniert, daß sich sein österreichischer Botschafter 
blamierte, und brummte allerlei Unfreundliches. Der arme Haymerle war 
wie ein begossener Pudel. Dann lange Debatte über die Donauschiffahrt. 
Zuletzt noch ein englischer Antrag über die Gleichberechtigung der Kon- 
fessionen im türkischen Reich. 
Lord Salisbury kündigte einen Antrag über die Armenier an, was 
den Reichskanzler zu der Bemerkung veranlaßte: „Encore un de plus!“ 
Diese Ungeduld des Reichskanzlers, die wegen seines Gesundheitszustandes 
ihre Berechtigung hat, befördert die Arbeit, wird aber später ihre Nach- 
teile fühlbar machen, weil manches nur oberflächlich erledigt sein wird. 
Mir wäre langsamere Arbeit lieber. 
Abends bei der Gräfin Oriola, wo ich Gneist, Scherer, Fanny Boyen 
und andre traf. Auch Hauptmann von der Goltz war da, der Verfasser 
des Buches über Gambetta. Ein gescheiter, liebenswürdiger Mensch.
	        
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