Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 247
Heute hatte ich schon um 9 Uhr den Besuch eines Israeliten aus
Brkarest, der mir Interessantes über die Stellung der Juden in Rumänien
Mitteilte.
6. Juli.
Gestern um 12 Uhr Delimitationskommission. Wir kamen aber nicht
vorwärts, da der englische Bevollmächtigte nicht genügend instruiert war.
Um 1 Uhr Redaktionskommission. Desprez brachte seine Artikel. Wir
vertagten uns auf 9½ Uhr Abends. Im Plenum, das um 2 Uhr an-
fing, hielt Waddington eine Rede zugunsten der Griechen und beantragte,
daß der Kongreß die Pforte und Griechenland einlade, sich über Grenz-
berichtigungen zu verständigen und die guten Dienste der Mächte dazu
anbiete; die Griechen werden damit nicht zufrieden sein. Da aber, wie
Beaconsfield in einer längeren Rede darlegte, die Türkei nicht geteilt
werden soll, so war kein andres Mittel vorhanden als diese Erklärung.
Nach der Sitzung verhandelte ich noch mit Salisbury über die Balkan-
grenze. Die Engländer hatten zugegeben, daß die Grenze auf dem Kamm
des Balkan gehen soll, verlangen aber jetzt einen Streifen von fünf Kilo-
metern mehr. Zugleich wollen sie die Entscheidung über die Grenzen des
Sandschak von Sofia von obiger Entscheidung abhängig machen.
Mit der Balkangrenze selbst war Salisbury einverstanden, aber er
will nicht von den fünf Kilometern ablassen, weil er sagt, man könne auf
der Spitze der Berge keine Befestigungen anlegen, während doch die Be-
festigungen diesseits in der neuen Provinz an Defileen anzulegen wären.
Ich ging dann zu Bülow zum Diner und brachte Schuwalow, der
auch da aß, einen unterdessen ausgedachten Vermittlungsvorschlag. Schu-
walow war einverstanden, riet aber, den Vorschlag bis zum letzten Augen-
blick aufzuheben. Um ½10 Uhr war eine lange Kommissionssitzung, wo
wir wieder redigierten. Um 12 Uhr fand ich Oberstleutnant Bluhme im
Saal, der mir berichtete, daß er mit dem englischen General nichts aus-
gerichtet habe und daß sie in ihrer Spezialkommission nichts zustande ge-
bracht hätten.
Da ich hörte, daß Bismarck noch im Salon sei, ging ich zur Fürstin.
Der Reichskanzler war ärgerlich über die englischen Prätensionen und
sagte, ich solle die ganze Geschichte Montag vor den Kongreß bringen.
Um 1 Uhr nach Hause.
7. Juli.
Gestern früh kam Blowitz zu mir und sagte mir, daß er den Tag
vorher mit den englischen Bevollmächtigten verhandelt habe und daß er
mir dafür garantiere, daß sie Batum an Rußland konzedieren würden,
wenn dieses Freihafen würde und Rußland sich verpflichte, es nicht zu