248 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
befestigen. Er riet dazu, daß diese Konzession seitens Rußlands sofort
bei Beginn der Diskussion im Kongreß gemacht werde, damit die Stimmung
sich nicht durch bittere Bemerkungen von irgendeiner Seite verderbe. Ich
schrieb sofort darüber an den Reichskanzler und gab den Brief selbst ab,
ehe ich in die Kommission ging. Als wir hier über die Grenzen von
Bulgarien berieten, wurde Schuwalow herausgerufen und sagte mir dann,
Herbert Bismarck habe ihm einen Auftrag ausgerichtet. Als unfre Kom-
missionssitzung zu Ende war, ging ich in den Frühstückssaal, wo viele
Zwiegespräche gehalten wurden. Erst um 2½ Uhr oder später begann
die Kongreßsitzung. Hier wurde sofort der asiatische Paragraph zur Dis-
kussion gestellt, und zu meiner angenehmen Ueberraschung begann Gor-
tschakow mit der Erklärung, daß er sich verpflichte, Batum zum Freihafen
zu machen. Beaconsfield hielt eine seiner pathetischen Reden und gab die
Abtretung Batums an Rußland zu. Dann folgten noch lange Debatten
über Grenzfragen. Die Hauptsache war aber befriedigend gelöst und damit
das friedliche Resultat des Kongresses gesichert. Nach Schluß der Be-
ratung verlangte ich das Wort und bat den Reichskanzler, er möchte auf
Montag auch die bulgarische Grenzfrage auf die Tagesordnung setzen, da
ich zu meinem Bedauern sagen müßte, daß sich die Kommission nicht habe
einigen können. Der Reichskanzler war dazu bereit, bemerkte aber, daß
die Delegierten der militärischen Kommission nichts andres zu tun hätten,
als die Beschlüsse des Kongresses zu respektieren und darauf ihre Vor-
schläge zu gründen. Ich erwiderte, im vorliegenden Falle liege die
Schwierigkeit nicht in der Militärkommission, sondern in unsrer Kommission,
da hier die Instruktionen einzelner Bevollmächtigter fehlten. Darüber
war natürlich Odo Russell ungehalten, er sagte nichts, erklärte aber nach
der Sitzung, er würde nicht mehr an den Kommissionssitzungen teilnehmen.
Er hat sich aber nachher durch Schuwalow wieder beruhigen lassen.
Abends bei der Kaiserin zum Tee, wo zwischen ihr, dem Groß-
herzog und Roggenbach ein pessimistisches Gespräch über die Zustände in
Deutschland geführt wurde. Um 11 Uhr ging ich in die französische Bot-
schaft, wo St. Vallier einen seiner Herrenrouts gab, die das Langweiligste
sind, was einem müden Bevollmächtigten am späten Abend passieren kann.
8. Juli.
Auf Sonntag Nachmittag hatte der Kronprinz die Kongreßmitglieder
zu einer Landpartie nach Potsdam eingeladen. Während wir den Vor-
mittag im großen Saale unfre Redaktionssitzung abhielten, regnete es und
wir fürchteten, daß die Partie sehr ungemütlich werden würde. Auch auf
dem Bahnhof war das Wetter noch unerfreulich. Die Partie fand aber
doch statt. Auf dem Bahnhof erschien nach und nach die Mehrzahl der