Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 249
Bevollmächtigten, dann Schleinitz und Frau und verschiedene andre Damen,
meistens vom diplomatischen Korps. Gräfin Karolyi hatte ihren Rembrandt-
hut auf. Gräfin Perponcher fand das für eine königliche Landpartie nicht
geeignet. Lady Salisbury kam mit zwei Töchtern und drei Jungens.
Die rauchenden Herren setzten sich zusammen in einen Salonwagen. Die
Damen fuhren im prinzlichen Waggon.
In Wannsee stiegen wir aus und begaben uns an den Landungs-
platz, wo das königliche Dampfschiff uns erwartete. Die Kronprinzeß
und Prinz Heinrich waren an Bord. Die Musik spielte, das Publikum
am Ufer schrie Hurra, und das Schiff setzte sich in Bewegung. Kaum
hatten wir aber eine Strecke von einigen hundert Schritt zurückgelegt,
so fing ein heftiger Sturm an, der sich in dem Zelt über dem Verdeck fing
und das Schiff auf die Seite legte. Manche behaupteten, daß Gefahr
gewesen sei, und jemand bemerkte: „Wenn der Kongreß untergegangen
wäre, so wäre das auch eine Solution gewesen.“ Die Matrosen entfernten
indes das Zelt und wir fuhren ungestört weiter auf dem See und der
Havel bis Babelsberg. Hier erwarteten uns Wagen, die uns zunächst
nach dem Schloß Babelsberg führten, das besichtigt wurde. Von da nach
Sanssouci. Ich fuhr mit Schleinitz und Odo Russell. In Sanssouci erst
Händewaschen in einem langen Saal. Der Kongreß fand zwar viele
Waschbecken, aber nur ein einziges porzellanenes Gefäß, das nicht zum
Waschen bestimmt war. Um dieses gruppierte sich Europa. Da mir aber
meine Pflicht als Kongreßmitglied diese kollektive Aufgabe nicht auferlegte,
so suchte ich mit Exzellenz von Bülow und General von der Goltz in den
oberen Gängen des Schlosses eine Lokalität, die uns jeden für sich ab-
sonderte. Das gelang auch nach einiger Mühe.
Dann Diner. Ich saß zwischen Lady Salisbury und Gräfin Per-
poncher. Erstere teilte ihre Zeit zwischen dem Kronprinzen, neben welchem
sie saß, und der Vertilgung sämtlicher Speisen. Ich habe daher wenig
Gelegenheit gehabt, von ihrem Geiste zu profitieren. Dann noch Herum-
stehen auf der Terrasse und Abfahrt durch Potsdam nach dem Bahnhofe.
In Berlin waren wir um ½10 Uhr. Ich fuhr sogleich in den Kongreß,
wo ich noch einer Kommissionssitzung zu präsidieren hatte, die recht zu-
friedenstellend verlief. Wir kamen wenigstens soweit, dem anwesenden
Oberstleutnant Bluhme die nötigen Instruktionen für die Feststellung der
bulgarischen Grenze geben zu können. Um 12 Uhr hob ich die Sitzung auf.
Berlin, 9. Juli 1878.
Der gestrige Tag verlief mit Kommissions= und Plenarsitzungen.
Im Plenum mußte ich die weitläufige bulgarische Grenze vortragen,
dann Ostrumelien und Serbien. Bei Serbien hatte sich die Kommission