Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

254 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
römischen Dinge zu beobachten, kam nach dem Regierungsantritt Leos XIII. 
dorthin. Er besuchte Gustav und wurde von diesem veranlaßt, auch 
Franchi aufzusuchen, mit dem er mehrere Unterredungen hatte. Franchi 
ist, wie sich bei den Unterredungen herausstellte, für eine Verständigung 
mit der preußischen Regierung. Ihm schwebt dabei der Gedanke vor, auf 
der Grundlage der Konvention von 1821 zu verhandeln. Er wünscht, 
daß die Verständigung bald stattfinde und hat mehrmals wiederholt: 
„Faites vite.“ Gelzer meint, daß der Kardinal ehrgeizig sei und daß er 
sich diesen Erfolg sichern wolle. Dagegen arbeiten die Jesuiten, die fran- 
zösischen Ultramontanen und die österreichischen Bischöfe. Lichnowski ist 
für die Sache. Gelzer hat auch den Papst gesprochen, den er als gescheit 
schildert, von dem er aber meint, er habe nicht die nötige Energie, um 
die entgegenwirkenden Einflüsse stets zu beseitigen. Anfangs habe man 
die Absicht gehabt, Monsignore Prosperi mit der Unterhandlung zu beauf- 
tragen. Franchi aber halte ihn dazu nicht für fähig, weshalb man an 
Aloysi dachte, was sich nun auch bestätigt hat. Bilio ist entschiedener 
Gegner. Czacky ist Sekretär Franchis, der sich einbildet, den schlauen 
Polen in der Hand zu haben. Ledochowski hat nicht die Million be- 
kommen, von der die Zeitungen gesprochen. Das Rundschreiben an die 
rheinischen Geistlichen, das in diesem Frühjahr als ein ungünstiges Zeichen 
betrachtet wurde, ist nicht vom Papst oder von Franchi, sondern von den 
Kongregationen ausgegangen, ohne daß jene etwas davon wußten. Der 
Papst mißbilligte es. Aber es war geschehen. 
Paris, 24. August 1878. 
Abbé Michaud kam heute Vormittag. Er ist hier in Ferien von 
Bern auf einige Tage. Er hat sich einen Vollbart wachsen lassen, der 
ihn vollständig unkenntlich macht. Er fing gleich von den Kissinger Ver- 
handlungen 1) an und beklagte es, daß der Reichskanzler den Kampf mit 
Rom aufgeben wolle. Man sehe in der Schweiz mit großer Besorgnis 
auf die Verhandlungen. Wie auch der Friede geschlossen werde und so 
wenig auch der Reichskanzler nachgeben werde, immer werde die Kurie 
behaupten, daß sie gesiegt habe, und das Publikum werde dies glauben. 
Das Ansehen des Fürsten Bismarck werde dadurch geschwächt und die 
Macht der Kurie gestärkt werden. Er hofft, daß sich die Nationalliberalen 
mit dem Fürsten verständigen werden, damit dieser nicht gezwungen werde, 
sich auf das Zentrum zu stützen. 
Nachher fuhr ich zu Léon Say,) der mir von der Münzkonferenz 
  
1) Zwischen dem päpstlichen Nunzius in München und dem Reichskanzler über 
die Beendigung des Kulturkampfes. 
*) Dem Finanzminister.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.