Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 257 
können, an welchen Punkten des vorgelegten Gesetzentwurfs die Regierung 
absolut festhalte und daß er dies wohl nur von Eurer Durchlaucht werde 
erfahren können. Ich schließe es ferner aus der Aufnahme, die eine von 
mir im Gespräch mit Bennigsen hingeworfene Aeußerung fand, daß Eure 
Durchlaucht ihn (Bennigsen) als einen zu bekämpfenden Gegner ansähen. 
Herr von Bennigsen meinte darauf: „Wir werden den Kampf nicht an- 
fangen.“ Ich erfahre ferner aus nationalliberalen Kreisen, daß die Ueber- 
zeugung von der Notwendigkeit, einen dauernden Konflikt zu vermeiden, 
sogar bis zu Herrn Lasker gedrungen ist, der, wie mir von einem Augen- 
zeugen der betreffenden Unterhaltung Laskers mit Führern der Partei 
erzählt wurde, die Frage stellte, ob es sich nicht für ihn empfehle, sich in 
der nächsten Zeit reserviert zu halten, da er wisse, daß sein Auftreten 
Eure Durchlaucht leicht irritiere. Ob diese gute Absicht Bestand hat, 
bezweifle ich. Jedenfalls geht aber so viel daraus hervor, daß es kein 
Mitglied der nationalliberalen Partei gibt, das nicht durchdrungen wäre 
von der Ueberzeugung, daß ein definitiver Bruch zwischen der Regierung 
und der nationalliberalen Partei Deutschland zum Unheil gereichen würde. 
Alle Gerüchte, die jetzt hier kolportiert werden, als beabsichtige die national- 
liberale Partei, den Bruch herbeizuführen, sind aus der Luft gegriffen und 
von Feinden des Reichs erfunden, um Zwietracht zu säen, oder kommen 
von Leuten, die unvollständig informiert sind. 
Es gibt bei der Beratung des Sozialistengesetzes eine Gefahr, die ich 
nicht unerwähnt lassen will. 
Ich kenne Mitglieder, die sich vor dem Zustandekommen des Gesetzes 
fürchten, weil daraus für den einzelnen ungemütliche persönliche Folgen 
hervorgehen könnten. Diese Kategorie wird sich auf den Standpunkt der 
Doktrin stellen und durch unannehmbare Modifikationen das Gesetz zu Fall 
zu bringen suchen. Ich meine aber, daß im Hinblick auf das furchtsame 
deutsche Bürgertum jedes Gesetz gegen die Sozialisten besser ist als keines. 
Denn jedes Gesetz bringt das zustimmende Bürgertum in einen Gegensatz 
zu den Sozialdemokraten und erweitert den Riß zwischen beiden. Sind 
diese Leute aber in Gefahr, so stimmen sie später allem zu. 
Journal. 
17. September. 
Ich ging früh in die Sitzung, um Bennigsen zu sprechen. Ich teilte 
ihm mit, was ich getan, und den Eindruck, den mein Brief auf den Reichs- 
kanzler gemacht zu haben scheine. Mittags kam Bismarck in die Sitzung, 
hielt seine große Rede und hatte dann eine Besprechung mit Bennigsen. 
Dieser, den ich nachher sprach, war darüber sehr befriedigt. Er sagte 
mir, Bismarck habe ihm die freundschaftlichsten Versicherungen Femacht 
Fürst Hohenlohe, Denkwürdigkeiten. II
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.