258 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
und gesagt, er könne sich nur auf die Nationalliberalen stützen. Er scheint
ihm auch angedeutet zu haben, daß er ihn als seinen Nachfolger ansehe.
Ueber die Kissinger Verhandlungen hat er auch mit Bennigsen gesprochen.
Danach ist gar nichts abgemacht. Die anfänglichen Forderungen der
Kurie waren unannehmbar. Jetzt liegt wieder ein Brief des Kardinals
Nina vor, den Bismarck beantworten muß. Alles, was erreicht worden
ist, beschränkt sich auf die Einleitung einer höflichen Korrespondenz.
Berlin, 2. Oktober 1878.
Peter hatte mir in Friedrichsroda erzählt, daß der Kaiser von Ruß-
land den Fürsten Bariatinsky veranlaßt hat, auf das Kommando zu ver-
zichten, das ihm über die gegen Oesterreich bestimmte Armee übertragen
worden war. Dies hat Bariatinsky übelgenommen und ist deshalb von
Skierniewize fort und nach Genf gezogen. Ebenso wollte der Kaiser den
Fürsten Gortschakow bestimmen, nicht zum Kongreß zu gehen und Schuwalow,
der schon zum ersten Bevollmächtigten designiert war, allein gehen zu lassen.
Gortschakow ließ sich aber nicht überreden und erklärte, er habe ein Recht,
auf den Kongreß zu gehen, worauf denn der Kaiser nachgab, aber in die
unangenehme Lage geriet, Schuwalow sein Wort nicht halten zu können.
Ich fragte Bismarck, ob er davon Kenntnis habe, und er bestätigte mir
die Richtigkeit der Nachrichten. Wir sprachen noch über Beust, der an-
geblich als Botschafter nach Paris kommen soll, von dem hier zu er-
nennenden Botschafter, und zwar von Wimpffen, den Bismarck nicht für
geeignet für Berlin hält, von Szechenyi und von Trautmannsdorff. Letzterer
ist Persona grata.
In den Kommissionsberatungen geht es langsam vorwärts. Die
einzige Schwierigkeit ist jetzt die Zeitdauer des Gesetzes. Die Liberalen
legen großen Wert darauf. Ob der Kanzler zustimmen wird, weiß ich
noch nicht.
12. Oktober.
In der Zwischenzeit in Grabowo und Rauden. Am 9. hierher zurück.
Die Erklärungen des Reichskanzlers und Bennigsens klären die Situation,
und man atmet auf. Die Verhandlungen jedoch bringen neue Schwierig-
keiten. Gestern nach dem Diner im Ministerium des Innern ging ich
um ½11 Uhr zu Bismarck. Er kam sehr spät in den Salon und sah
sehr grantig aus und war es auch. Die Beratung in der gestrigen
Sitzung,!) der er nicht beigewohnt hatte, die Rede Delbrücks für ein
Amendement, von dem Bismarck behauptet, es sei gegen das zwischen ihm
und den Nationalliberalen abgeschlossene Abkommen, scheint ihn ganz wild
1) Bei der zweiten Lesung des Gesetzes gegen die Sozialdemokratie.