Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 261 
Prinzen und Prinzessin von Bauffremont sowie deren Sohn, der eine 
Nichte der Königin geheiratet hat, eine junge, wenig ansprechende Dame 
mit schönen Diamanten, den Marquis und die Marquise von Lasmarismas 
und andre. Das Diner war sehr lang. Auf dem Tisch standen so viele 
Leuchter und Blumenvasen, daß man davon erdrückt wurde. Dazu eine 
Hitze zum Schlagtreffen. Ich saß zwischen der Königin und der Duchesse 
de Malakow wie eine Sardelle zwischen zwei Butterschnitten. Die Kon- 
versation ging schwerfällig. Während der Tafel wurde die Margquise 
de Lasmarismas halb ohnmächtig herausgeführt. Nach Tisch dauerte der 
Cercle und die Konversation lange fort. Wir wurden nicht entlassen, bis 
ich gegen die Etikette einen allgemeinen Aufbruch erzwang mit Hilfe des 
alten Guöll y Rente. Die Königin war mir dafür dankbar. Nachher zu 
Molins, wo Empfang und Tanz war. Waddington, den ich dort traf, 
äußerte sich befriedigt über die Unterhandlungen mit der Linken. Das 
Ministerium will gleichzeitig im Senat und in der Zweiten Kammer eine 
Erklärung (Programm) vorlesen.1) Eine Diskussion wird sich daran an- 
schließen. Gambetta ist für das Ministerium. Die Amnestiefrage würde 
Schwierigkeit bieten, wenn nicht die Regierung den Ausweg ergriffen hätte, 
für die Amnestierung der in contumaciam Verurteilten, die nicht begnadigt 
werden können, einen Gesetzentwurf ausarbeiten zu lassen. Damit werden 
zweitausend Flüchtlinge zur Rückkehr ermächtigt. Die Führer bleiben aus- 
geschlossen. Auch die Linke will diese nicht zurück haben. Die Frage der 
Schulen wird im Sinne der Linken und gegen den Klerus entschieden 
werden. Waddington sieht vertrauensvoll in die Zukunst. 
Paris, 15. Januar 1879. 
Heute bei Waddington. Er fängt an unruhig zu werden und sagte 
mir: „Je dois vous avertir qdu’'il pourra se passer des incidents fort 
graves la semaine prochaine.“ Er findet, daß sich das Jakobinertum 
in der Zweiten Kammer sehr hervortut. Die Kerle haben den Kopf ver- 
loren und wollen nun Stellen haben, seitdem der Senat eine republikanische 
Mehrheit ) hat. Kleinstädter, radikal und eingesäuert, irritiert über einen 
Prokureur, wütend, daß Dufaure ihn nicht ersetzt, geleitet und genasführt 
von den klugen Führern Clämenceau und Kompagnie, Gambetta in schwieriger 
Lage, in Gefahr, depassiert zu werden. Nicht um Prinzipien, sondern um 
Stellen handelt es sich dabei. Das Programm wird morgen verlesen 
werden, die Debatte findet Montag statt. Es hängt von Zufälligkeiten 
  
1) Die republikanischen Fraktionen der Kammer und des Senats hatten von 
dem Ministerinm Dufaure die Aufstellung eines Programms gefordert. 
2) Durch den entscheidenden Sieg der Republikaner bei den Wahlen zur teil- 
weisen Erneuerung des Senats, die am 5. Januar stattgefunden hatten.
	        
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