Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1874) 19 
Gespräche mit Könneritz, dem Darmstädter Hofmann und der national- 
liberalen Partei. Man bildet sich dort ein, daß hier der Elan patriotique 
so stark sein werde, um uns zu veranlassen, Vorschläge über Konstituierung 
des Deutschen Reiches zu machen. Von der reaktionären Strömung hier 
haben sie dort noch keine Ahnung. Der deutsche Kaisertitel scheint ent- 
schieden beabsichtigt. Nun berieten wir, was zu tun sei. Eine Agitation 
hier ins Leben zu rufen, hielten wir alle für unzweckmäßig, da dieselbe 
sofort eine ultramontane numerisch stärkere Gegenagitation hervorrufen 
werde. Allenfalls könnten sich Sympathien auch im ultramontanen Lager 
für eine konstituierende Nationalversammlung finden, aber dazu sei immer 
noch Zeit. Vorläufig werde es, meinten wir, das beste sein, die hier 
maßgebenden Persönlichkeiten vor den Gefahren einer antinationalen Politik 
zu warnen, und in Berlin sei darauf hinzuwirken, erst eine Verständigung 
der deutschen Regierungen über eine deutsche Verfassung zu veranlassen, 
welche dann einem konstituierenden Parlament vorgelegt werden könnte. 
Auch der Gedanke der Zusammenberufung deutscher Fürsten zu einem 
Fürstentage wurde erwähnt. Ich halte letzteren Gedanken für den passendsten 
und am ersten geeignet, dem zersetzenden Einfluß fremder Konferenzen, 
sogenannter europäischer Kongresse entgegenzuarbeiten. Man wird es jetzt 
den deutschen Regierungen nicht verbieten können, sich untereinander über 
ihr gegenseitiges Verhältnis zu verständigen. Ich bezweifle, ob dieser 
Gedanke dem König sehr willkommen sein wird, aber wenn er vorgeschlagen 
wird, kann sich Bayern allein nicht fernhalten. Je länger man wartet, 
desto mehr wird sich die Stimmung abkühlen, und desto mehr werden aus- 
wärtige Intrigen Boden gewinnen. Ich zweifle aber, ob Bismarck lange 
warten wird. Ohne Zweifel hat er seinen Plan gemacht, was um so 
wahrscheinlicher ist, weil er sich im Hauptquartier von aller Kommunikation 
mit andern Leuten abschließt. 
München, 19. August 1870. 
Gestern war an allen Straßenecken die Nachricht von der Schlacht 
am 16. bei Metz oder Mars la Tour, oder wie sie sonst heißen soll, an- 
geheftet und wurde viel besprochen. Man glaubt, daß damit die Franzosen 
von ihrer Rückzugslinie abgeschnitten sind. Es wird also demnächst 
wieder zu einer Schlacht auf Tod und Leben kommen. Verlieren die 
Franzosen diese ebenfalls, so bleibt nur das Korps bei Chalons und die 
angebliche Armee im Süden von Frankreich. Hoffentlich wird dann 
Frieden gemacht. 
Je näher das Ende des Feldzugs herankommt, um so mehr beschäftigen 
sich die Politiker mit der nachherigen Gestaltung Deutschlands. Man 
findet, es sei nötig, sich schon jetzt klarzumachen, welche Stellung Bayern
	        
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