Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 263 
27. Januar. 
Heute um 12 Uhr ins Schloß. Im sogenannten Rittersaal fand die 
Zeremonie statt. Als ich ankam, zeigte mir Stillfried die Lokalitäten und 
erklärte mir die Zeremonie. Nach und nach sammelten sich die Ritter und 
die andern Eingeladenen. Boyen und ich warteten im Nebensaal, bis der 
Kaiser und die Prinzen kamen. Alle Ritter hatten ihre roten Mäntel an. 
Nun wurden wir von den Paten, den Generalen Blumenthal und Kirchbach 
hineingeführt. Der Kaiser stand unter einem Baldachin vor dem Thron 
Zuerst ging Boyen, den Eid auf das Statutenbuch zu leisten, dann ich. 
Dann bekamen auch wir die roten Mäntel. Darauf folgte die Zeremonie 
der Kette. Boyen zuerst, dann ich, gingen vor den Thron, knieten vor 
dem Kaiser, der uns die Kette umlegte und uns umarmte. Wir küßten 
ihm die Hand. Der Kaiser sagte mir dabei leise: „Wohlverdient!“ Dann 
folgte die Handreichung rings im Kreise der Ritter. Nachher war Kapitel- 
sitzung, wo nur die Ritter in ihren Mänteln um einen großen Tisch saßen. 
Der Ordenskanzler las die Nekrologe der im vergangenen Jahre ver- 
storbenen Ritter. Dann fragte der Kaiser, ob noch einer der Ritter etwas 
zum Vorteile des Ordens vorzubringen habe, und da niemand das Wort 
verlangte, hob er die Sitzung auf, und wir fuhren nach Hause. Meine 
Kette hatte zuletzt Minister Uhden, früher Wilhelm Radziwill getragen. 
Paris, 5. Februar 1879.1 
Blowitz besuchte mich heute, um mit mir über den Regierungswechsel 
zu sprechen. Er ist unzufrieden, daß man Dufaure nicht gelassen hat, und 
behauptet, dieser wäre geblieben, wenn ihn Grévy ernstlich darum gebeten 
hätte. Dieser aber sei besorgt gewesen, Dufaure werde ihn in Schatten 
stellen. Daß Waddington Ministerpräsident geworden, mißfällt Blowitz, 
der nicht mit Unrecht sagt, dadurch werde Waddington genötigt, zurück- 
zutreten, wenn eine Ministerkrisis entstehe, während er sonst manche Mini- 
sterien hätte überdauern können. 
Interessant war mir Blowitz' Urteil über Gambetta. Er sagt von 
ihm, er sei maßlos eitel und habe „de Paffection pour personne“. Er 
sei egoistisch und falsch „et sans éducation aucune“. Seinem Talent 
läßt er alle Gerechtigkeit widerfahren, auch seiner Redlichkeit. Geld- 
geschäfte habe er nicht gemacht und sei nicht reich, wie man behauptet hat, 
  
1) Am 30. Januar war Mac Mahon zurückgetreten und Jules Grévy, der 
Präsident der Kammer, an seine Stelle gewählt worden. Am 31. Januar wurde 
Gambetta zum Präsidenten der Kammer gewählt. Das Ministerium Dufaure gab 
sofort nach Grévys Wahl seine Demission. Grévy beauftragte Waddington mit 
der Bildung eines neuen Ministeriums. #
	        
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