264 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
sondern habe nur eine Einnahme von etwa fünfzigtausend Franken. Das
reiche nicht, um eine für den Präsidenten der Kammer geeignete Wohnung
zu nehmen, und deshalb müsse er in das Palais Bourbon ziehen. Er
sagt, Gambetta wolle als Präsident fortfahren, Führer der Linken zu sein.
Das werde nicht gehen.
8. Februar.
Heute war das diplomatische Korps eingeladen, um 2 Uhr bei dem
Präsidenten der Republik zu erscheinen. Ich fuhr mit den Herren der
Botschaft hin. Das diplomatische Korps war wie am Neujahrstag ver-
sammelt. Jeder Chef mit seinem Personal hinter sich. Als alle beisammen
waren, erschien Herr Gréoy in Begleitung von Waddington und Mollard
und einem Adjutanten. Er fing beim Nunzius an. Jeder stellte seine
Herren vor. Konversation fand dabei nicht statt. Ein russischer Diplomat
hinter mir fand, daß das Ganze an ein Begräbnis erinnere. Als alle
Herren vorgestellt waren, trat Herr Grévy wieder etwas zurück und hielt
eine Ansprache, in der er seine Freude aussprach, uns zu sehen, die guten
Beziehungen Frankreichs zu den übrigen Mächten hervorhob und uns zum
Schluß dankte, „que nous nous étions empressés de régulariser notre
situation“. Er empfahl sich dann. Der Nunzius antwortete nicht. Um
½4 Uhr war ich wieder zu Hause.
Paris, 12. Februar 1879.
Die Gerüchte über Madame Grévy, die von den Bonapartisten ver-
breitet werden und alle erfunden sind, haben uns bestimmt, ihr den ersten
Besuch zu machen. Es war eigentümlich, in den bekannten Räumen der
Marschallin nun die einfache Frau des Advokaten zu finden, umgeben von
allem Glanz der Souveränität. Frau Grépy ist recht natürlich und weiß
sich gut zu benehmen. Ihre Tochter ist klein und häßlich und etwas zu
entgegenkommend.
20. März.
Ministerkrisis vorüber. 1) Waddington wieder sicher. Gambetta will
ihn halten, Grévy auch. So wird wohl nach dem Trubel der letzten
Wochen einige Ruhe eintreten. Heute aß ich bei Beust mit Martel, Gam-
betta, Leon Say, Waddington, Jules Ferry und Cialdini. Nach Tisch
1) Der Minister des Innern de Marcere war am 3. März wegen eines Kon-
flikts mit der Kammer über die Pariser Polizeipräfektur zurückgetreten. Am
13. März verhandelte die Kammer über den Antrag, die Minister vom 16. Mai 1877
in den Anklagezustand zu versetzen. Das Ministerium verlangte die Verwerfung
des Antrags und stellte die Vertrauensfrage. Der Antrag wurde verworfen und
eine das Verhalten des Ministeriums vom 16. Mai 1877 scharf tadelnde Tages-
ordnung angenommen.