268 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
Er kam dann auf die Frage der Rückkehr der Kammer nach Paris.
Es liegt ihm daran, daß der Reichskanzler genau von den Gründen unter-
richtet wird, die ihn, Grêévy, dazu bestimmen, für die Rückkehr zu sein.
Er sagte, es käme weniger auf die Kammer an. Er gebe zu, daß die
Kammern in Versailles ruhiger und ungestörter beraten. Allein es handle
sich vorzugsweise um die Regierung. Die Konstitution schreibe vor, daß
der Sitz der Regierung und der Kammer in Versailles sei. Wenn er im
Elysée wohne, so tue er es auf Grund des Gesetzes, welches dem Präsi-
denten das Elysée zuweist. Es liege eine Abweichung von der Verfassung
in einem längeren Verweilen des Präsidenten in Paris. Werde nun der
Antrag auf Rückkehr nach Paris verworfen, so müsse er nach Verseailles
zurück. Dann sei Paris sich selbst überlassen. Der Conseil Municipal
strebe schon lange danach, ein Parlament zu spielen und Paris allein zu
regieren. Seien die Regierung und die Kammer in Paris, so bildeten sie
ein Gegengewicht gegen diese demagogischen Bestrebungen. Bleiben sie in
Versailles, so riskiere man, daß sich die demagogischen Umtriebe ver-
größerten und daß man wieder einmal vor einer Kommune und vor einer
Belagerung von Paris stehen könne.
Die Gefahr, daß die Kammern in Paris bedroht werden könnten,
schlägt Grévy nicht hoch an. Die Regierung sei stark, die Bevölkerung
nicht bewaffnet wie zur Zeit der Kommune. Wäre Herr Thiers in Paris
geblieben, hätte er die Truppen gehabt, um da bleiben zu können, so würde
der Kommuneaufstand nicht ausgebrochen sein. Die Regierung, die Kam-
mern und das Land wollten Ruhe und Ordnung, sie würden sich nicht
hinreißen und nicht von der Demagogie beherrschen lassen. „Dites-le,“
sagte er dann, „à ces messieurs. IIS8 n'’ont pas à inquiéter.“"
Von der Kammer sagte er, sie könne wohl im gegebenen Falle ein
Ministerium stürzen, „mais qu'’est-ce qu'’elle aura gagné par 1à7?“
Berlin, 15. Mai 1879.
Gestern war ich beim Kaiser. Er sprach von den französischen Zu-
ständen, erwähnte einen Bericht über meine Unterredung mit Gréoy und
sprach sich über diesen günstig aus. Ich erwähnte die mir aufgefallene
Aehnlichkeit mit Simson. Da kam der Kaiser auf diesen zu sprechen und
erzählte, wie eigentümlich es sei, daß dieser Mann verschiedene Male be-
rufen gewesen sei, ihm und dem König Friedrich Wilhelm IV. wichtige
Beschlüsse des Frankfurter, des Erfurter und des Norddeutschen Reichs-
tags zu übermitteln. „Immer in seiner klassischen Form,“ setzte der Kaiser
hinzu. Dann kam der Kaiser auf Rußland zu sprechen, bedauerte, daß
man so spät angefangen habe, Energie zu zeigen, erwähnte, daß er Tre-
pow in Wiesbaden gesehen habe, der der Meinung sei, es sei noch nicht