Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

272 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
Als wir aufbrachen, erzählte ich dem Reichskanzler noch die Bedenken 
des Kronprinzen gegen den Franckensteinschen Antrag und riet ihm, da 
der Kronprinz dabei den Partikularismus fürchtet, ihn persönlich darüber 
aufzuklären. Bismarck sagte aber: „Der soll froh sein, wenn er seinen 
Partikularismus, solange er lebt, behält; es sieht so faul genug in der 
Welt aus.“ Diese trübe Auffassung ging mir noch im Kopfe herum, als 
ich mit Viktor den Heimweg antrat. 
Paris, 28. Juli 1879. 
Heute bei Grévy. Er empfing mich mit gewohnter behaglicher Freund- 
lichkeit. Er mußte eben gefrühstückt haben, denn er reinigte seine Stock- 
zähne mit dem Zeigefinger, was ihn veranlaßte, die halbe Hand in den 
Mund zu stecken. Dann vertiefte er den Zeigefinger in die Nasenlöcher 
und bearbeitete überhaupt verschiedene Teile seines Gesichts mit den Fingern. 
Dabei sprach er sehr vernünftig über die Zustände Frankreichs, meinte, 
daß nur die Republik, das demokratische Regime, in Frankreich möglich sei 
und daß eine Diktatur nur vorübergehend sein könne. „Et #'est pas 
dictateur qui veut,“ fügte er hinzu, dazu gehöre eine besonders geartete 
Persönlichkeit. 
Nachher zu Lyons, Cialdini und Safrit Pascha. Letzterer schnitt 
noch mehr Gesichter als gewöhnlich, da er sehr betrübt ist, Paris ver- 
lassen zu müssen. 
Paris, 4. August 1879. 
Der Minister der Instruction publique schickte mir eine Einladung 
zu dem heutigen Fest der Preisverteilung in der Sorbonne. Da ich einem 
derartigen Schwindel noch nicht beigewohnt hatte, so nahm ich die Ein- 
ladung mit „empressement“ an, zog den schwarzen Frack an, schmückte 
mich mit dem Großen Bande der Ehrenlegion und fuhr gegen 12 Uhr in 
die Sorbonne. Dort empfing mich der Rektor in seinem Professorentalar 
und führte mich in den Salon, wo ich verschiedene bekannte Persönlich- 
keiten fand, Giraud, Faye und andre, und wo man auf den Minister 
wartete. Auch Gambetta kam. Als Jules Ferry, Waddington und 
Jauréguiberry da waren, ging man in Prozession in die Aula, die schon 
gefüllt war. Im Saale saßen die Schüler und die Professoren, auf der 
Estrade die Minister, Ferry in der Mitte, ich rechts von ihm und links 
der abenteuerliche Präsident Guzman-Blanco. Waddington saß neben 
mir. Dann begann die Feier mit der lateinischen Rede eines Professors, 
deren einzelne Stellen beklatscht wurden. Hierauf hielt Ferry eine Rede 
mit verschiedenen politischen Anspielungen. Sie wurde vielfach mit Beifall 
aufgenommen. Komisch war, daß die Jungen die republikanischen Stellen 
besonders beklatschten. Noch muß ich nachholen, daß bei Beginn der
	        
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