280 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
Den Abend hatte ich noch Gelegenheit, manches zu hören. Es war
die Rede von Schweinitz, und Bismarck meinte, er wünsche sehr, ihn zu
sehen, da es nötig sei, ihn davon abzuhalten, jetzt in Petersburg einen
falschen Ton einzuschlagen. Er dürfe nicht pikiert, nicht zugeknöpft, son-
dern ganz natürlich sein und liebenswürdig wie immer. Wenn man mit
einem guten Freund durch den Wald gehe, der auf einmal Zeichen der
Verrücktheit bemerken lasse, so tue man gut, einen Revolver in die Tasche
zu stecken; man könne aber dabei recht freundlich sein. Von Frankreich
meint Bismarck, daß die Regierung Gefahr laufe, von der radikalen Masse
überwältigt zu werden. Gefährlich sei die Kommune, wenn man sich auf
die Truppen nicht verlassen könne. Ich erwiderte, daß die Kommune
wenig Chancen habe, da sie nicht bewaffnet sei.
Holstein ist sehr betrübt über den Ausgang der Unterhandlung mit
mir, sieht aber ein, daß es nicht ging.
In der österreichischen Vertragssache wird das Abkommen sehr ge-
heim gehalten. Die Diplomaten erfahren nichts davon. Der Reichs-
kanzler ist der Meinung, daß es für uns gut sei, wenn England und
Frankreich gute Beziehungen unterhalten. Solange dies der Fall, werde
Frankreich nicht mit Rußland gehen. In der griechischen Frage gehe
Frankreich sehr ins Zeug. Da könnten wir nicht mitgehen, da wir Oester-
reich und England, die nicht so weit mitgehen, schonen müßten. Fournier
in Konstantinopel arbeite gegen England und für eine russische Allianz.
In Konstantinopel zankten sich die Vertreter der fremden Mächte immer.
England habe unrecht, den Franzosen ultramontane Bestrebungen in
Syrien vorzuwerfen. Sie könnten ja doch nicht alles haben. Um 12 Uhr
verabschiedete ich mich und ging zu Bett.
Berlin, 30. Oktober 1879.
Heute sprach ich mit Bleichröder, der von Rußland Briefe erhalten
haben will, wonach der Kaiser unzurechnungsfähig sei. Die Bevölkerung
und der Hof seien sehr gegen Deutschland erbittert, namentlich gegen Bis-
marck und seinen Vertrag. Was daraus entstehen werde, könne man jetzt
nicht wissen. Als für den Kanzler besonders interessante Gegenstände von
Pariser Berichten bezeichnete er:
1. Die finanzielle Verwicklung, d. h. den Krach, der nach den
Gründungen erwartet werden müsse,
2. die Frage, ob ein französisch-italienisches Anlehen abgeschlossen
werde,
3. die Frage der russisch-französischen Allianz und
4. setzte ich hinzu, die Beziehungen zwischen England und Frankreich.