Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 283 
man könne ja auch in andrer Form Konzessionen machen. Dabei kam er 
auf den Papst und auf dessen Sympathie für den Reichskanzler und auf 
die Notwendigkeit zu sprechen, diesen günstigen Zeitpunkt zu benutzen, da 
nur Fürst Bismarck und Leo XIII. Frieden machen könnten. Das Ge— 
spräch kam zu keiner befriedigenden Wendung, wenngleich er hervorhob, 
daß der Papst entschlossen und stark genug sei, die Katholiken zu einer 
loyalen Haltung gegenüber der Regierung zu bewegen. Natürlich nur 
immer gegen Konzessionen. 
Nachmittags kam Gambetta zu mir. Er sprach seine Befriedigung 
aus, daß ich nicht von hier weggehe, was er und, wie er sagte, alle sehr 
bedauert haben würden. Dann kamen wir auf die Ernte, auf die ver- 
fehlte Weinlese, auf die Verluste, die dies Frankreich bringe. Was die 
Kammer betrifft, so glaubt er, daß die Amnestie von der Kammer verworfen 
werden wird. Man könne allerdings zugeben, daß die Begnadigungen 
nicht mit der gehörigen Sorgfalt geschehen seien. Es seien Unwürdige 
begnadigt und Würdige übersehen worden. Darüber müsse man noch eine 
genauere Prüfung anstellen. Die Session werde bis Weihnachten dauern, 
und Gambetta hofft auch noch die Tariffrage zur Sprache zu bringen. 
Er meint, die protektionistische Bewegung habe wegen des Ernteausfalls 
abgenommen und die Zahl der Freihändler zugenommen. Doch könne man 
noch nicht sagen, wohin sich die Mehrheit der Kammer neigen werde. 
Was die Ferryschen Gesetze betrifft, so glaubt Gambetta, daß sie mit einer 
Mehrheit von 10 bis 12 Stimmen „telles quelles“ ohne Modifikation 
durchgehen werden. Vom Nunzius sagte er: „II se remue beaucoup,“ 
dies sei aber nicht geschickt und nicht klug. Der französische Klerus liebe 
es nicht, von einem Nunzius geleitet zu werden. Sie seien dem Papste 
ergeben, wollten aber nicht von einem Nunzius geleitet sein. Das sei noch 
ein Rest des Gallikanismus. Ich brachte dann die Rede auf die aus- 
wärtige Politik und fragte, ob sie in der Kammer zur Sprache kommen 
werde. Er glaubt das nicht. Es bestehe wenig Verständnis dafür in 
der Kammer, auch fehle der Anlaß zu einer Diskussion. Er versichert, die 
Stimmung des Landes sei friedlich. Man habe ihn seitens der konser- 
vativen Partei verleumdet und ihm kriegerische Velleitäten schuld gegeben. 
Er werde Gelegenheit nehmen, dies mit Dokumenten in der Hand zu ent- 
hüllen. Man sei so friedlich, daß man ihm aus der Provinz geschrieben 
und ihn gewarnt habe, sich nicht solchem Verdacht auszusetzen. Aber es 
sei gar nicht zu glauben, welche Bosheit die Gegner verwendeten, um ihm 
zu schaden. Es komme ihnen auf Lügen und Verleumdungen nicht an. 
Die Unterredung dauerte etwa drei Viertelstunden. Noch muß ich hinzu- 
fügen, daß Gambetta die Sache der Bonapartisten für verloren ansieht. 
Eine Ansicht, die ich nicht teile.
	        
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