Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 285
genug links und doch nicht so weit gegangen sein, um in regierungs-
unfähige Kreise zu greifen, wie wenn er seine ursprüngliche Absicht aus-
geführt hätte, Brisson mit aufzunehmen. Wenn der Präsident Grévy
Léon Say das Präsidium übertrüge, so würde er ein Auflösungs-
ministerium bilden, das keine Aussicht hätte, bei den Wahlen durch-
zudringen.
Ein Ministerium Freycinet-Herold kann auflösen, ohne dem Präsi-
denten einen Schec zu bereiten. Gambetta ist gegen Freycinets Eintritt,
weil er ihn für sich reservieren will. Grôévy weiß dies. Das Ministerium
Freycinet ist Gambetta auch aus dem Grunde unangenehm, weil er
fürchtet, daß es die Auflösung mit günstigem Erfolg für Grévy durch-
führen, die Frage des Scrutin de liste vertagen wird. Freycinet hat mit
Gambetta gesprochen und ihm gesagt, er wisse, daß Gambetta gegen ihn
sei. Das sei aber ein Grund, weshalb er jetzt nicht mehr zurück könne,
weil er sich sonst als abhängig von ihm darstelle. So steht die Frage
heute. Blowitz ist gegen Gambetta. Er sagt, dieser könne nur entweder
als Diktator oder als Sozialist am Ruder bleiben und werde entweder
das eine oder das andre tun. Er hält ihn für fähig dazu und arbeitet
daran, ihn unmöglich zu machen.
Blowitz fragte mich nach der griechischen Frage, über die ich ihm
nichts sagen konnte. Nachmittags kam Blowitz wieder und erzählte,
Grévy habe die Bedingungen Freycinets, der sich mehr auf die Union
stützen, Herold und Challemel-Lacour ins Ministerium haben und Floquet
die Seinepräfektur geben wollte, nicht angenommen. Er unterhandle wieder
mit Waddington.
Darauf ging ich zu Pontecoulant. Dieser sagte, Waddington sei
eben bei Grévy. Freycinet habe Brisson zum Minister des Innern,
Flocquet zum Seinepräfekten haben wollen. Das habe Grévy unmöglich
geschienen, und darauf habe er mit Freycinet abgebrochen und sich wieder
mit Waddington und Léon Say besprochen. Das gleiche steht auch heute
Abend im „Temps“. Gambetta soll die Vorschläge Freycinets mißbilligen.
Ich glaube das wohl, da ihm der Eintritt Freycinets in das Ministerium
nicht angenehm ist. Grévy meint, es sei noch nicht Zeit und durch die
Lage nicht gerechtfertigt, so weit links zu greifen. Blowitz sagt, meines Er-
achtens mit Recht, daß Grépy besser täte, Freycinets Vorschläge an-
zunehmen und etwas weiter links zu gehen, um dann ein Ministerium zu
haben, mit dem er erfolgreich auflösen könne, wenn die Kammer wieder
Skandal mache oder Allianzen zwischen der äußersten Rechten und der
äußersten Linken gebildet würden. Mit einem Ministerium Léon Say
oder Waddington auflösen, heiße dem Präsidenten Grévy denselben échec
bereiten wie dem Marschall.