286 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
Paris, 28. Dezember 1879.
Nachdem Waddington gestern noch die Hoffnung gehegt hatte, Frey-
cinet werde sich wieder zu ihm wenden und ihn um seinen Wiedereintritt
ersuchen müssen, da die Union républicaine nicht ohne Gambetta an dem
Ministerium teilnehmen werde, ließ er mich heute Nachmittag bitten, zu
ihm in das Ministerium zu kommen. Er sagte mir, daß er und Léon
Say zurückgetreten seien und daß Freycinet das Auswärtige übernehmen
werde. Die Wendung habe gestern stattgefunden, da die Union röpubli-
caine nach Gambettas Weigerung, einzutreten, als Freycinet die Absicht
kundgegeben habe, Waddington und Léon Say zu behalten, erklärt habe,
sie werde sie entschieden bekämpfen. Das geschah auf Anstiften Gambettas,
der Waddington weghaben wollte. Freycinet war damit um so mehr zu-
frieden, als er gern das Ministerium des Aeußern übernimmt. Er bot
Waddington die Botschaft in London an, die dieser ablehnte. Nun kon-
stituierte Freycinet sein Ministerium mit Lepère, Cazot, Magnin, Farre,
Tirard, Cochery, Ferry, Jauréêguiberry.
In der äußeren Politik wird sich wenig ändern. Großen Halt ver-
spricht das Ministerium nicht. Es wird der Vorläufer eines Ministeriums
Gambetta sein, wenn es Gambetta nicht vorher gelingt, Grévy zu stürzen.
Freycinet und Grévy werden aber dagegen arbeiten, und es könnte sein,
daß Gambetta nicht seine Rechnung dabei fände. St. Vallier will Frey-
cinet behalten. Es ist ratsam, ihm in Berlin dies zu erleichtern. Er hat
keinen Grund, wegzugehen, da das Ministerium gemäßigt ist.
Paris, 12. Januar 1880.
Der Besuch bei Gambetta verlief wie gewöhnlich. Ich erkundigte
mich nach seinem Befinden, er sich nach dem meinigen. Dann sprach er von
der Kammer, von dem Ministerwechsel, von Freycinet, der ganz besonders
geeignet sei, die Stelle eines Präsidenten zu übernehmen, und daß nun
alles gut gehen werde. Was St. Vallier1) betrifft, so war er augen-
scheinlich falsch informiert. Er meinte, St. Vallier habe seine Entlassung
gegeben, um eine Demonstration gegen Artikel 72) zu machen. Ich bestritt
dies und sagte ihm, wie die Sache gekommen ist. Gambetta ist fein genug,
um zu merken, daß ich nur wegen St. Vallier zu ihm gekommen war.
Beim Weggehen fing er noch einmal davon an und meinte, es sei eine
Uebereilung von St. Vallier gewesen, für die er büßen müsse. Ich fragte
1) Welcher unmittelbar nach der Ernennung des neuen Ministeriums um
seinen Abschied gebeten hatte. Nach einem Besuche in Paris nahm er am 8. Februar
sein Gesuch zurück.
?) Des Ferryschen Unterrichtsgesetzes.