Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 295 
nötig halte, daß den Bischöfen, die noch im Amte sind, der Befehl erteilt 
werde, die gesetzlichen Anzeigen zu machen. Er wünscht, daß damit gleich- 
zeitig die Amnestie für die abgesetzten Bischöfe verbunden werde. Und er 
denkt es sich so, daß darüber ein Abkommen getroffen werden könnte, in 
welchem der Staat die Amnestie, die Kurie ihre Konzessionen stipuliere. 
Doch vergißt dabei der Nunzius, daß es mit der Amnestie nicht getan ist 
und daß die Bischöfe durch die Amnestie nicht wieder eingesetzt werden. 
Er betonte dabei, daß es für den Papst schwer sei, weitere Konzessionen 
zu machen, wenn ihm nicht von der andern Seite entgegengekommen werde. 
Dies geschehe, wenn man die Revision der Maigesetze auf gesetzlichem 
Wege wenigstens in Aussicht stelle. Er sprach dann lange von Ledo- 
chowski, nachdem ich ihm meine Bedenken gegen diesen Prälaten dar- 
gelegt hatte. Er meint, er sei weniger gefährlich in seiner Diözese als in 
Rom und sei eigentlich ein unbedeutender Mensch. 
Die Ernennung des Fürsten zum Vorstande des Aus- 
wärtigen Amts und Uebertragung der Vertretung des 
Reichskanzlers erfolgte am 30. April 1880. 
Berlin, 15. Mai 1880. 
Erst jetzt komme ich dazu, mein Journal wieder aufzunehmen, nach- 
dem ich seit dem 19. April, wo ich hier eingetroffen bin, sowohl durch die 
Uebernahme des Amts wie durch die Reichstagsverhandlungen so in An- 
spruch genommen war, daß ich zu einer ruhigen Aufzeichnung nicht im- 
stande war. Die ersten Tage, wo ich mich in den Geschäften des Aus- 
wärtigen Amts orientieren sollte, kam# die Samoafrage, 1) bei der der 
Reichskanzler nicht selbst sprechen wollte und wo er mich bat, für Bülow 
die Verteidigung zu übernehmen. Da dies nicht so ohne weiteres geschehen 
konnte, mußte ich mich erst orientieren, um noch etwas über die Sache 
selbst zu sagen. Es ist dann auch gut gegangen. Dann kamen die orien- 
talischen Wirren und die damit zusammenhängenden langen Besprechungen 
mit den Diplomaten. Mit dem Reichskanzler geht es bis jetzt und un- 
berufen gut. Ich gehe jeden Mittag zwischen 1 und 2 Uhr zu ihm, bringe 
die Sachen, über die er selbst entscheiden muß, bespreche diese und notiere 
den Bescheid, den ich nachher an die Diplomaten gebe. Dann kommen 
die Diplomaten zwischen 3 und 5 Uhr, und wenn der Kaeiser da ist, ein 
Vortrag bei diesem, aber nur selten. Gestern war ich u. a. bei ihm und 
hinterher zum Diner. 
Der Reichskanzler kann sich noch nicht an den Gedanken gewöhnen, 
  
1) Verhandlungen des Reichstags vom 27. bis 29. April.
	        
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