Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 297 
mal darauf verzichten sollte, die Verfassungsfrage zu stellen, wenn zum 
Beispiel ein Reservatrecht bedroht würde. Dazu sei er als bayrischer 
Minister verpflichtet. 
Den 23. 
Crailsheim war bei mir. Er weiß nicht, wen er nach Berlin schicken 
soll, fragt, ob Pfretzschner, von dem aber nicht bekannt ist, ob er an- 
nehmen wird. 
Lutz versichert die Reichsfreundlichkeit der bayrischen Regierung, sagt 
aber, es sei ihr doch nicht zuzumuten, überall ja zu sagen und auf 
die Besprechung der Verfassungsfrage in allen Fällen zu verzichten (Reser- 
vatrechte). 
Berlin, 26. Mai 1880. 
Gestern Abend beim Reichskanzler. Er sprach von seiner Unter- 
redung mit Bennigsen und Micquel, ohne aber etwas Näheres mitzuteilen. 
Heute kam Bennigsen zu mir sund erzählte von ihrer Unterredung. Er 
sagte, sie seien hart aneinander geraten und fragte mich, ob der Reichs- 
kanzler sich erbittert über sie ausgesprochen habe. Ich sagte, nein, er sei 
ganz ruhig gewesen. Darauf meinte Bennigsen, das sei ihm lieb, nun 
werde er sich doch in die Kommission wählen lassen.1!) Ich sah aus seiner 
ganzen Mitteilung, wie unangenehm ihm ein Bruch mit dem Fürsten wäre. 
Dann isprach Bennigsen von der Rückkehr der Bischöfe und behauptete, 
diese sei nicht möglich und werde als eine Niederlage der Regierung an- 
gesehen werden. 
Als ich heute Mittag zum Reichskanzler kam, erzählte ich ihm das. 
Er war sehr unangenehm berührt, daß Bennigsen nun nicht an den Ernst 
seiner gestrigen Aeußerungen glaube. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn 
ich Bennigsen nichts gesagt hätte. Er sagte, sie seien mit Drohungen 
auseinander gegangen, und er habe keine Hoffnung auf Verständigung. 
Wenn der Landtag die Vorlage nicht annehme, so werde er auflösen. 
Spreche sich das Land gegen ihn und seine Politik aus, so gehe er ab. 
Aber mit solchen unfähigen Politikern wie Bennigsen und Migquel, die 
auf den Wink der öffentlichen Meinung horchten, mit solchen Karlchen- 
Miesnick-Tertianern und Kindern könne er nichts machen. Ich wandte 
ein, eine Auflösung werde den Nationalliberalen nicht unangenehm sein, 
da sie sich durch ihre Opposition gegen das Gesetz populär zu machen 
hofften. Da könnten sie sich täuschen, erwiderte der Reichskanzler. Dann 
unterbrach er mich und sagte, er wolle Depeschen drucken lassen und könne 
  
1) Die Kommission zur Prüfung der kirchenpolitischen Vorlage der Regierung 
betreffend die Revision der Maigesetze.
	        
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