Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 299 
dorff, erklärten die Herren, sie seien jetzt mit der Heirat ausgesöhnt. Ich 
fuhr wieder mit dem Fürsten und der Fürstin Bismarck. Der Fürst be- 
trachtete und besprach Schonungen und Kornfelder, und dann sang er vor 
sich hin. Wir waren alle müde und vermieden ernste Gespräche. 
Berlin, 6. Juni 1880. 
Der Reichskanzler kam heute beim Vortrag wieder auf die Frage der 
Stellvertretung der Reichskanzlergeschäfte zu sprechen und meinte, ich möchte 
doch dafür wirken, daß Stolberg) sich bereit erkläre, diese Vertretung 
mir zu übertragen, da er demselben nicht die nötige Erfahrung zutraue, 
um in seiner, des Reichskanzlers, Abwesenheit die Reichsbehörden zu über- 
wachen. Ich sagte dem Reichskanzler, ich hätte es neulich schon versucht, 
aber da er mir selbst empfohlen hätte, Stolberg dabei nicht zu verletzen 
und nichts direkt zu sagen, so sei mein Versuch gescheitert. Der Reichs- 
kanzler will, daß Stolberg jetzt die Reichsgeschäfte abgebe, wahrscheinlich, 
wie Busch meint, damit sie dann Hatzfeld übernehmen könne. Und da 
der Reichskanzler fürchtet, Stolberg könne keine Lust haben, diesen Teil 
seiner Obliegenheiten an Hatzfeld abzugeben, so will er die Sache beeilen, 
damit Hatzfeld, wenn er eintritt, die Aenderung schon vorfindet. Busch 
meint, das merke Stolberg, und deswegen tue er, als verstehe er meine 
Anspielungen nicht. Ich muß es nun morgen wieder einmal versuchen. 
9. Juni. 
Ich habe Stolberg gesprochen und fand bei ihm um so mehr Bereit- 
willigkeit, auf den Vorschlag einzugehen, als er selbst weg will und eine 
Kur im Gebirge brauchen muß. Ich erzählte dies dem Reichskanzler, der 
dann selbst mit Stolberg sprach. Dann veranlaßte mich der Fürst, auch 
mit dem Kaiser zu sprechen, der damit einverstanden ist. Ich werde mehr 
zu tun bekommen. Aber die Sache hält mich nicht länger als das Aus- 
wärtige Amt, und interessant und ehrenvoll ist es jedenfalls. Das bißchen 
Arbeit mehr ist einerlei. 
Den 18. 
Die Konferenz ist also seit dem 16. eröffnet.:) Wir sind alle mit dem 
französischen Vorschlag einverstanden. Es wird also nicht lange dauern. 
Heute las mir der Reichskanzler ein von ihm entworfenes Schreiben 
vor, in welchem er bei dem Kaiser beantragt, daß ich ihn auch als 
preußischen Minister vertreten soll. Wenn zu kontrasignieren ist, soll ich 
1) Der Vizekanzler und Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums, 
Graf Otto zu Stolberg-Wernigerode. 
2) Die Konferenz der durch ihre Botschafter in Berlin vertretenen Großmächte 
zur Regelung der türkisch-griechischen Grenzfrage.
	        
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