Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 301
Grimm, das nach Wannsee fuhr, und kam gegen ½ 8 Uhr auf der Station
Wildpark an. Dort erwartete uns ein Wagen, der uns nach dem Schlosse
brachte. Die Herrschaften waren spazieren gegangen, und Seckendorff
führte mich in meine Zimmer. Ein Vorzimmer, ein kleiner Salon und
ein großes Schlafzimmer. Sehr hohe Rokokozimmer, mit silbereingefaßten
Vertäfelungen und Rokokomöbel. In meinem Salon hängen Porträts
von Markgräfinnen von Ansbach-Baireuth. Mein Bett steht unter einem
versilberten Baldachin. Die Tapeten sind chinesische Seidenstoffe. Das
Ganze macht einen Eindruck wie Schillingsfürst in verschönertem Maßstab.
Um ½9 Uhr ging ich in den Garten, wo vor einem kleinen Pavillon
soupiert wurde. Es waren da Joachim und ein Klavierspieler, Friedberg
und ich und einiges Gefolge. Das Souper wurde nur durch Schnaken
etwas gestört. Dann ging man in den Salon, wo Gräfin Dönhoff er-
schien. Hierauf Konzert von Joachim bis 11 Uhr, worauf sich alles zurück-
zog. Heute Morgen mit dem Kronprinzen und der Kronprinzeß Frühstück
in dem Gartenpavillon, wo nur die drei Prinzessinnen waren. Nachher
lange Promenade mit der Kronprinzeß und dem Kronprinzen in den An-
lagen. Hierauf ging alles in seine Zimmer bis zum Diner.
Um 2 Uhr kam Philipp Ernst mit Ernst Ratibor, die beide zum
Diner und zur Landpartie eingeladen waren, eine Ueberraschung für mich.
Um 4 Uhr setzten wir uns in die Wagen, der Kronprinz, die Kron-
prinzeß, die Erbprinzeß von Meiningen, die drei kleinen Prinzessinnen und
ich in einen. Wir fuhren durch die Parks nach dem Marmorpalais und
von da zum Dampfschiff, mit dem wir nach der Pfaueninsel fuhren. Dort
stiegen wir aus, besahen das abgebrannte Palmenhaus und das Schloß
und gingen nach einer Rutschbahn, wo die Kinder und einige Herren und
Damen vom Gefolge sich herunterfahren ließen. Der Abend war wunderschön,
der Park mit den großen Bäumen prachtvoll. Dann bestiegen wir wieder das
Dampfschiff und fuhren zurück. Abends Tee im Garten und Soiree im
Salon. Morgen früh fahre ich sehr erfrischt wieder nach Berlin zurück.
Bei der Morgenpromenade sprach die Kronprinzessin viel von der
orientalischen Frage. Sie hält es für gefährlich, wenn Rußland Kon-
stantinopel besetzte und zweifelt an der Richtigkeit der Behauptung, daß
der Besitz von Konstantinopel eine Schwächung Rußlands mit sich bringen
werde. Sie glaubt, daß man einen eignen Staat bilden könne außer
Bulgarien und Griechenland, der Konstantinopel zur Hauptstadt hätte.
Sie hofft, daß auch das gegenwärtige englische Ministerium in die Besitz-
ergreifung Konstantinopels durch Rußland nicht willigen werde.
Als die Kronprinzeß wegging, führte mich der Kronprinz durch den
Garten und sprach dabei von den preußischen Offizieren, die wir jetzt nach
der Türkei schicken sollen. Er gab seinen Bedenken Ausdruck, ob dies jetzt