24 Im Reichstage (1870 bis 1874)
Entschlüssen. Mancherlei bereitet sich aber vor. Prinz Luitpold ist beauftragt,
hier anzufragen, wie sich Bayern zu Deutschland stellen wolle. Man muß
also hier zum Entschluß kommen. Die deutschgesinnte Partei arbeitet an
meinem Wiedereintritt. Ich glaube nicht, daß es zweckmäßig wäre, wenn
ich von Bray den Auftrag übernähme, die Friedensverhandlungen zu führen.
Was ich auch erlangen könnte, würde immer bekrittelt werden. Mir scheint,
daß die Macht der Verhältnisse die Friedensbedingungen und die Formation
Deutschlands bestimmen wird, nicht die Stellung eines einzelnen Unter-
händlers. Wenn ich nötig bin, wird man mir Konzessionen machen; bin
ich nicht nötig, so muß ich die Kapricen des Königs dulden. Dazu habe
ich keine Lust.
München, 29. September 1870.
Gestern nach mehrwöchentlicher Abwesenheit wieder nach München
zurück. Ich habe mich in diesen ersten vierundzwanzig Stunden bemüht,
etwas Richtiges aus allen widersprechenden Gerüchten über die Verhand-
lungen über die deutsche Verfassungsfrage zu erfahren. Es scheint nun
so zu stehen:
Auf die aus dem Großen Hauptquartier ausgegangenen Anregungen,
Bayern möge seine Vorschläge bezüglich der deutschen Verfassungsfrage
machen, ging von Bray das Verlangen aus, Delbrück möchte auf seiner
Rückreise aus Frankreich über München kommen. Delbrück kam nun vor
einigen Tagen hierher, und es wurden Besprechungen zwischen ihm und
den Ministern, wobei auch Mittnacht anwesend war, veranstaltet und das
Resultat in einer sogenannten Registratur zu Papier gebracht. Es scheint,
soviel ich bisher gehört habe, die bayrische Regierung dabei von dem
Projekt eines „weiteren Bundes zwischen dem Norddeutschen Bunde und
den süddeutschen Staaten“ ausgegangen zu sein, welches Projekt in einer
Beratung von Ministerialreferenten unter meinem Vorsitze im Frühjahr
1867 besprochen, dann aber wieder beiseite gelegt worden war, da uns
Preußen damals durch die plötzliche Erneuerung des Zollvereinsvertrags
„auf parlamentarischer Grundlage" einen Strich durch die Rechnung machte.
Man ist nun selbstverständlich von diesem Projekt wohl weiter abgegangen
und hat größere Konzessionen gemacht, allein man hält sich noch immer
an die Idee des „weiteren Bundes“. Wie aber diese Idee ausgeführt
werden soll, wenn Baden und Württemberg in den Norddeutschen Bund
eintreten, wie dieser Bund heißen, wie der weitere Bund aussehen, wie
beide ineinander greifen sollen, ist mir noch nicht klar. Die sogenannte Re-
gistratur hat Delbrück mitgenommen und wird darüber an Bismarck berichten.
Ich denke, darüber werden dann Verhandlungen gepflogen werden. Der
König soll eingeladen sein, ins Hauptquartier zu kommen, um dort mit
in Paris einzuziehen; er will aber natürlich nicht. Man soll im Haupt-